Essen. . Deutsche Orchestermusiker sehen sich von Lohnerhöhungen des Öffentlichen Dienstes abgekoppelt. Ein Streik könnte auch Aalto und Philharmonie treffen. Doch Arbeitskämpfe haben in der Branche bislang noch Seltenheitswert.
Ob „Macbeth“ sein Schwert demnächst vor leerem Orchestergraben zücken wird oder mit Pianobegleitung in die Schlacht ziehen muss, ist noch ungewiss. Gut möglich jedenfalls, dass die Essener Philharmoniker in den kommenden Wochen mal eher die Trillerpfeife bedienen als Fagott oder Harfe. Denn die Zeichen in der bundesdeutschen Orchesterlandschaft stehen auf Streik.
Grund des schon seit Jahren schwelenden Konflikts zwischen der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) und dem Deutschen Bühnenverein als Arbeitgeberverband ist ein Streit um tarifliche Lohnerhöhungen. Die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) sieht sich von den Lohnabschlüssen im Öffentlichen Dienst abgekoppelt. Sprich: Was der städtische Buchhalter, die kommunale Krankenschwester bekommt, bekommen Geiger und Flötisten nicht. Der Versuch, ihr Recht vor dem Bundesarbeitsgericht durchzusetzen, ist zuletzt gescheitert. Die Richter haben entschieden, dass es keinen einklagbaren Rechtsanspruch auf Vergütungsanpassung gibt.
Ein Brief an den Deutschen Bühnenverein
Für Stephan Pommer, DOV-Beauftragter der Essener Philharmoniker, ist das ein Akt der Ungleichbehandlung und „ein Frontalangriff auf unsere Zunft“. Sollten die nächsten Gespräche keine Einigung bringen, sieht Pommer die Essener Philharmoniker als wirkungsmächtiges A-Orchester durchaus in der Pflicht, für die Sache einzutreten. Die Ausrede, die öffentliche Hand habe dafür kein Geld, könne man nicht gelten lassen. „Wenn für 2,2 Millionen Beschäftigte im Öffentlichen Dienst das Geld für Tariferhöhungen da ist, sollte es für rund 8500 Orchestermusiker im Land auch noch reichen“, sagt Pommer.
Es geht um viel Geld, für manche Häuer geht es womöglich sogar ums Ganze, sollten sie keine Rückstellungen gebildet haben und die seit 2010 nicht ausgezahlten Tariferhöhungen nun tatsächlich aufbringen müssen. Bei der Theater und Philharmonie (TuP), wo Geschäftsführer Berger Bergmann das Haus in den vergangenen Jahren mit einem straffen, aber künstlerisch vertretbaren Sparprogramm in ruhige Fahrwasser geführt hat, sind die Rücklagen in der mittelfristigen Finanzplanung zwar vorgesehen, trotzdem betrachtet man die Entwicklung mit Sorge. Gerade in den Wochen des Neustarts von Intendant Hein Mulders und dem neuen Generalmusikdirektor Tomáš Netopil kann man Vorstellungsabsagen in Aalto und Philharmonie alles andere als gebrauchen. „Wir haben großes Interesse, Arbeitskampfmaßnahmen soweit wie möglich zu vermeiden“, hat Geschäftsführer Bergmann schon in einem Brief an den Deutschen Bühnenverein appelliert, in dem nicht nur auf das Verhandlungsgeschick des Geschäftsführers Rolf Bolwin gesetzt wird, sondern auch darauf, „einen baldigen Ausgleich mit Blick auf die Leistungsfähigkeit der deutschen Bühnen zu finden“.