Essen. Berthold Beitz wollte sich und möglichst vielen Essener Bürgern zum 100. Geburtstag eine beschwingte Matinee mit den großen Jazz-Standards spendieren. Genau das wurde es - nur ohne ihn

Ein berühmter Spruch lautet „Wer swingt, kann nicht marschieren“. Vielleicht war es also auch ein bisschen die Liebe zum Jazz, der Berthold Beitz schon als junger Mann frönte, die ihn später zu einer aufrechten Haltung gegenüber den Nazis ermutigte. Mit seiner Lieblingsmusik wollte Beitz den 100. Geburtstag groß feiern und möglichst viele Essener Bürger dazu einladen.

Nun, es sollte nicht sein - doch seine Familie veranstaltete die Jazz-Matinee trotzdem, zumal der Patriarch noch vor seinem Tod sogar die Stücke ausgesucht hatte. 1800 Gäste erlebten in der Philharmonie ein wunderbares Konzert, das genau so war, wie es sich Berthold Beitz gewünscht hatte: „mit viel Dampf in der Bude“.

Folgerichtig startete die erfreulich unsentimentale Matinee mit Duke Ellington famoser Mahnung „It don’t mean a thing if it ain’t got that swing“. Souverän sorgte Pianist Martin Sasse mit seinem Trio für die beinhart swingenden Fundamente, auf der die erstklassig besetzten Bläserfraktion aufbauen konnte. Heiner Wiberny (Saxofon und Klarinette), Klaus Osterloh (Trompete) und Bart van Lier (Posaune) ließen ihre Instrumente lustvoll durch mehr als ein Dutzend der schönsten Stücke des „Great American Songbook“ jubilieren. Lauter Lieblingsnummer von Beitz, der nicht nur an den Instrumentals wie Fats Wallers „Ain’t Misbehavin’“ oder dem guten alten „Basin Street Blues“ seine Freude gehabt hätte.

Zu vielen Jazz-Standards gehört natürlich auch eine mitreißende Stimme. Und die gab es gleich im Doppelpack an diesem unterhaltsamen Morgen, den WDR-Bigband-Produzent Lucas Schmid klug strukturiert hatte und angenehm zurückhaltend moderierte. Mit feinem Gespür für Nuancen verwandelte der kanadische Sänger Denzal Sinclaire vor druckvoller Kulisse immer wieder gern gehörte Standards wie „All of Me“ in prickelnde Preziosen und rührte mit „As Time Goes By“ als filigranes Vocal-Piano-Duo wohl alle Herzen im mucksmäuschenstillen Saal. Während Jocelyn B. Smith mit großer Stimme und so sprechenden Titeln wie „The Man I Love“ oder einer wunderbar jazzigen Version von Billy Joels „Just The Way You Are“ für Begeisterungsstürme sorgte.

Ungewöhnlich in einem Jazz-Konzert und doch so passend ein besonderer Wunsch des Gastgebers: „Die Gedanken sind frei“ als heiteres Duett der Vokalistin Insa Rudolph mit dem Mundharmonika-Spieler Berthold Matschat. Zum großen Finale bleckte schließlich Mackie Messer die Zähne, was Beitz in der Version von Louis Armstrong und Ella Fitzgerald so gerne mochte. Nur ein Song, den man sich freilich nicht selber wünschen kann, fehlte bei diesem sehr gelösten Gedenkkonzert: „There will never be another you“.