Steele.

. Plötzlich sickert das kalte Flusswasser in den Neoprenanzug. Und das ist der Moment, in dem man sich fragt, ob es wirklich eine gute Idee gewesen ist, in der Ruhr schwimmen zu gehen. Aber wann, wenn nicht jetzt, hat man dazu schon Gelegenheit: Schließlich steht das Baden in öffentlichen Gewässern in Essen für gewöhnlich unter Strafe. So steht es schließlich in der „Ordnungsbehördlichen Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Stadtgebiet“. Doch dieses Mal ist dieser Paragrafen-Wust außer Kraft gesetzt: Steele feiert sein 1075-jähriges Bestehen mit der dreitägigen Veranstaltung „Feuer und Flammen an der Ruhr“. Und eine Gruppe von Fackelschwimmern darf sich in die Fluten stürzen – ganz legal.

Das jubelnde Publikum motiviert

Während die Schwimmer mit Fackeln in der Hand von der Kurt-Schumacher-Brücke bis zum Steeler Freibad treiben, stehen viele Schaulustige am Ufer, manche winken, andere applaudieren. „Das motiviert“, sagt Teilnehmerin Nicole Kulla. Die träge Strömung macht den Schwimmern das Vorankommen nicht leicht. Das 16 Grad kalte Wasser sorgt dann aber doch dafür, dass niemand trödelt. Nach 40 Minuten sind alle Teilnehmer im Ziel.

Seit Jahren fordern Bürger eine Bade-Erlaubnis für Ruhr und Baldeneysee – auch am Abend des Fackelschwimmens beschäftigt dieses Thema die Teilnehmer. Unvergessen ist etwa der Fall des Heisinger Rentners, der im März 2010 einer Richterin im Amtsgericht erklären musste, warum er im Baldeneysee schwimmen gegangen war. Seine Argumente überzeugten nicht: Gesetz ist Gesetz. Am Ende musste der Mann 50 Euro Strafe zahlen, plus einer Verwaltungsgebühr von 23,50 Euro.

Schwimmbad-Schiff

Doch es gibt leichte Signale für eine Lockerung des strikten Essener Badeverbots: Umweltdezernentin Simone Raskob begeisterte sich zum Beispiel zeitweise für ein Schwimmbad-Schiff nach Berliner Vorbild auf dem Baldeneysee. Das war aber zu teuer. Später brachte sie eine Naturbadestelle nahe des „Seaside Beach“ ins Gespräch – das war im Frühjahr 2013. Seitdem hat man allerdings nichts mehr davon gehört.

Noch immer läuft das Forschungsprojekt „Sichere Ruhr“. Wissenschaftler wollen unter anderem durch die Analyse von Wasserproben ausloten, ob für Ruhr-Schwimmer ein potenzielles Gesundheitsrisiko besteht. Ende 2014 wollen sie Ergebnisse vorlegen.

Bei stabilem Sommerwetter würden laut Ruhrverband an bestimmten Flussabschnitten schon heute die Grenzwerte der Badegewässer-Richtlinie unterschritten – allerdings könne sich der Zustand der Wasserqualität nach einem Gewitter oder Hochwasser rasch verschlechtern. Krankheitserreger könnten unter Umständen in das Gewässer gespült werden.

Die Taucher von „Dive in Essen“, die jetzt auch zum Fackelschwimmen geladen haben, besitzen eine Sondergenehmigung für Übungstauchgänge im Gebiet Steele. Seit Jahren steigen sie dort immer wieder ins Wasser. Gesundheitliche Probleme hätte laut Club-Chef Holger Cremer dadurch noch keiner von ihnen gehabt.

Bakterien im Wasser? Die Fackelschwimmer sind bereit, dieses vermeintliche Risiko einzugehen. „Das muss doch jeder selber wissen, ob er hier schwimmen will“, sagt Teilnehmerin Margret Pörschke. Aus Borbeck ist sie gekommen, nachdem sie in der Zeitung gelesen hatte, dass die Fackelschwimmer einen Teilnehmerrekord erwarten. „Da wollte ich mitmachen.“

Aus dem neuen Rekord ist nichts geworden. 111 Schwimmer hatten sich beim Tauchclub „Dive in Essen“ für die kostenlose Aktion angemeldet. Nur etwa 50 sind erschienen. „Macht nichts“, sagt Taucher-Chef Holger Cremer. „Wir haben gezeigt, dass man mehr mit diesem Fluss machen kann, als nur draufzugucken.“