Essen. Im Univiertel feierte der Investor Arsatec mit seinen Wohn- und Gewerbegebäuden am Freitag Richtfest. Von 65 Wohnungen sind noch ganze zwei zu haben. Im Bürohaus etabliert sich eine Art Zentrum für veganes Leben. Wer das mit Freudlosgkeit assoziiert, wurde gestern angenehm überrascht.
Es wächst und wächst und wächst, und manchmal könnten einem die Erfolgsmeldungen aus dem Uni-Viertel ja fast schon übertrieben vorkommen. Kann das denn wirklich sein, dass da den Investoren und Bauherrn die Wohnungskaufverträge schon aus den Händen gerissen werden, noch bevor die Fertigstellung auch nur in Sichtweite kommt? Doch, genauso ist es, bestätigten gestern auch die Leute vom Oberhausener Projektentwickler Arsatec, die für ihre Gebäudekomplexe Richtfest feiern konnten.
Mit dem Bürobau entlang der Friedrich-Ebert-Straße und den vier Wohnhäusern in Richtung Univiertel-Park schließt Arsatec die Lücke zwischen der ebenfalls neuen AOK-Zentrale und dem schon länger bestehenden Caritas-Seniorenheim, wobei der Gewerbebau den Lärm der vierspurigen Straße abschirmt. Von den 65 Wohnungen sind noch genau zwei zu haben. „Besser hätte es nicht laufen können“, sagt Geschäftsführer Sven van Gelder. Die Käufer planten, ihre Wohnungen zu rund 85 Prozent selbst zu bewohnen. Sie kommen nach Angaben von Arsatec vielfach aus Essen, bei nicht wenigen handelt es sich aber auch um echte Zuzügler, vereinzelt gibt es sogar Käufer aus Zürich, Mailand und selbst Peking. Architektonisches Kennzeichen der Häuser sind ihre auskragenden, großen Balkone, die oft einen schönen Blick auf den Park erlauben. Daher tauften die Investoren ihr Projekt „Park View“ - Parkblick hätte man früher gesagt.
Früher war die Gegend ziemlich verrufen
OB Reinhard Paß zeigte sich über diesen neuen Beitrag zum städtischen Wachstum natürlich erfreut, wie überhaupt das ganze Uni-Viertel ein durchschlagender Erfolg sei, den viele Alt-Essener so kaum erwartet hätten. Tatsächlich war die Gegend früher ziemlich verrufen, und noch heute liegen mitunter nur einen Steinwurf weit entfernt recht prekäre Viertel. Die Käufer scheint es nicht zu stören, vielleicht ein Zeichen dafür, dass mancher das Wohnen in allzu homogenen Milieus nicht mehr so attraktiv findet.
Das Gewerbegebäude an der Straße soll auch bereits zu 80 Prozent vermietet, und hier wird es eine interessante Ansiedlung geben. Im Erdgeschoss und dem ersten Obergeschoss wird die veganische Lebensweise, die ein Leben ohne jede tierischen Produkte propagiert, eine Heimat finden. Im großen Stil ist der Unternehmer Jan Bredack derzeit dabei, mit seiner Firma „Veganz“ in deutschen und europäischen Ballungszentren Supermärkte mit rein pflanzlichem Vollsortiment zu gründen. Essen gehört demnächst als einzige Stadt im Ruhrgebiet dazu, im Frühjahr 2014 ist Eröffnung. „Für uns ist Essen als Mittelpunkt einer großen Region besonders interessant“, sagt Bredack. Neben dem Supermarkt sind ein Schuhladen, ein Bekleidungsgeschäft und ein Restaurant geplant - alles in allem eine Investition von 1,5 Millionen Euro. Und alles natürlich strikt vegan. „Wir freuen uns sehr darüber“, sagt Arsatec-Geschäftsführer Joachim Sälzer.
„Es soll schmecken und gesund sein“
Beim Richtfest gestern lag es nah, dass die Firma „Veganz“ in ihren künftigen Räumen die Verpflegung für die Gäste übernahm. Und auch als überzeugter Fleisch-Freund muss man zugeben: Es hat geschmeckt. Eigentümer Jan Bredack und Mitgeschäftsführer Oliver Joosten verstehen es offensichtlich, dem veganen Essen in Präsentation und Geschmack etwas von jener Freudlosigkeit zu nehmen, die ein Klischee sein mag, aber doch in vielen Köpfen festsitzt. „Es soll schmecken und gesund sein“, sagt Joosten. So darf man sich auf ein Angebot freuen, das als gelegentliche Alternative auch für Nicht-Veganer seinen Reiz hat.
Firmengründer Bredack ist erst Anfang 40, hat aber bereits eine interessante Biografie vorzuweisen. Das Berliner Ost-Gewächs lernte nach der Wende Kfz-Schlosser, arbeitete sich bei Daimler-Benz nach einem Elite-Studium im Rekordtempo hoch zum Manager, war verantwortlich für Milliarden-Etats, leitete den Bau des ersten Mercedes-Werks in Moskau - und stieg dann nach einer längeren Burnout-Leidensgeschichte aus. Er wurde Veganer, sah deshalb aber keinen Anlass, sein Unternehmer-Gen zu verleugnen.
Vegane Lebensweise ist längst ein Megatrend
Vegan ist längst ein Megatrend, den Bredack maßgeblich mitbefeuert hat, denn inzwischen hat er bereits rund 20 Supermärkte, und allein 2014 entstehen außer in Essen noch drei weitere: in Köln, Budapest und London. Traditions-Veganer betrachteten diese Erfolgsstory zwar „mit Argwohn“, schreibt die FAZ, doch scheint Bredack dies nicht sehr zu belasten. Es sind wohl die eher undogmatischen Kunden, die sein Geschäftsmodell stützen - und die dürften in der Mehrheit sein.