Essen. . Noch ist offen, wo die Stadt Essen ihren Hausmüll ab 2015 verbrennen wird. Ein Kauf des Müllheizkraftwerkes Karnap ist politisch vom Tisch, da ein potenzieller Partner abgesprungen ist. Deutliche Worte findet Essens Oberbürgermeister Paß zu einem Konkurrenzangebot, mit dem ausgerechnet seine SPD liebäugelt.

Die mehr als vier Jahrzehnte währende Kooperation der „Karnapstädte“ in Sachen Müllverbrennung ist Geschichte. Gestern schloss die Nachbarstadt Bottrop ein weiteres Kapitel und verabschiedet sich nach Mülheim und Gladbeck als dritte Kommune aus dem Reigen. Bottrop will die Müllverbrennung öffentlich ausschreiben. Dass auch die Stadt Essen diesen Weg geht, wird damit immer wahrscheinlicher.

Oberbürgermeister Reinhard Paß hatte sich bereits intern für eine europaweite Ausschreibung ausgesprochen. Dies legt die Verwaltung nun auch dem Rat nahe: „Bei Abwägung aller Gesichtspunkte wird festgestellt, dass mit einer Ausschreibung die geringsten Risiken und die niedrigsten Entsorgungskosten zu erwarten sind.“

Der Vertrag mit RWE, der den Karnapstädten die Entsorgung ihrer Abfälle im Karnaper Müllheizkraftwerk zu niedrigen Preisen garantiert, läuft 2015 aus. Da die Verbrennungsanlagen in NRW bei weitem nicht ausgelastet sind, geht die Stadt davon aus, dass sich durch eine Ausschreibung günstige Konditionen erzielen lassen - wie es Mülheim gelungen ist. Die Nachbarstadt lässt ab 2105 in Krefeld verbrennen und zahlt dem Vernehmen nach dafür nur 52 Euro pro Tonne. So günstig ist nicht einmal Karnap.

CDU und FDP hatten bereits verlauten lassen, dass für sie allein der Preis zähle. Die SPD liebäugelt dagegen mit dem Angebot der AGR, auf das sich Grüne und Linke bereits fest gelegt haben. Eine interkommunale Kooperation beim Betrieb der Verbrennungsanlage in Herten klingt verlockend. Der Entsorgungspreis sei allerdings „relativ hoch“, gibt die Verwaltung zu bedenken. Er dürfte noch einmal steigen, da Bottrop nun nicht mitmacht.

Wohin die Reise geht, darüber soll der Rat entscheiden. OB Paß ließ gestern im Finanzausschuss durchblicken, was er von der AGR-Offerte hält. Das Angebot der RVR-Tochter sei nur auf den Tisch gekommen, um zwischen die Karnapstädte „einen Keil zu treiben“. Was den Kauf des Karnaper Müllheizkraftwerkes angeht, wäre diese Strategie aufgegangen. Mit dem Ausscheiden von Bottrop ist diese Variante politisch tot.

RWE könnte sich an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligen, würde den Müllofen aber gerne loswerden. Dazu passt folgende Nachricht: Erst dieser Tage hat Deutschlands größter Betreiber von Müllverbrennungsanlagen, eine Tochtergesellschaft des Eon-Konzerns, den Besitzer gewechselt. Eigentümer ist ein Finanzinvestor. Zukäufe von Verbrennungsanlagen sind Teil des Geschäftsmodells. Mülltourismus nach Karnap - eine Horrorvorstellung oder doch ein sehr realistisches Szenario?