Das könnte ein kalter Herbst werden: Weil die Stadt bei den Gewerbesteuer-Einnahmen um rund 34 Millionen Euro unter dem Ansatz für 2013 liegt, wollen Stadtkämmerer Lars Martin Klieve und Oberbürgermeister Reinhard Paß in allen Haushaltstöpfen sparen: „Wir sind bei der Konsolidierung noch nicht über den Berg“, warnte Klieve gestern im Unterausschuss Finanzen. Weitere Anstrengungen seien nötig. Wie die aussehen könnten, wurde gestern bereits deutlich: Ein Essener Vorzeige-Projekt steht aktuell auf der Kippe, „Neue Wege zum Wasser“ droht zum Jahresende das Aus.

Dabei gilt es bei der Stadt als das führende Grün-Programm, Rad- und Wanderwege zwischen Karnap und Kettwig werden hier seit 2007 erschlossen, die „Wasser-Route“ entlang der Emscherbäche, die „Natur-Route“ oder die „Stadt-Route“ sind im Laufe der sechs Jahre entstanden und kontinuierlich ausgebaut worden. Die Teiche im Krayer Volksgarten wurden erneuert, dazu die Werdener Uferpromenade. Der Benefit für Essen ist beachtlich: Emschergenossenschaft, Regionalverband, Ruhrverband oder andere Projektträger übernehmen meist 90 Prozent der Kosten, die Stadt finanziert lediglich die zehnprozentige Lücke für die neuen Wege. Und weil die Stadt hier mit zuletzt gerade einmal 1,5 Millionen Euro im Jahr auch noch rund 110 Langzeitarbeitslose beschäftigt und qualifiziert, meist in Zusammenarbeit mit vielen Gartenbaubetrieben, gilt das Programm inzwischen als Glanzstück im Rahmen des Essener Konsens: Nahezu jeder zweite der eingesetzten Langzeitarbeitslosen wurde von einem der beteiligten Handwerksbetriebe übernommen.

Doch mit der Eintracht bei den Neuen Wegen ist es bei der Stadt vorbei: Als gestern im Verwaltungsvorstand die Ratsausschuss-Vorlage auf dem Tisch lag, verweigerte Stadtkämmerer Lars Martin Klieve die Unterschrift. Die Deckungsvorschläge für die angepeilte Ausgabe von 1,3 Millionen Euro der beiden zuständigen Dezernenten Peter Renzel (Soziales) und Simone Raskob (Grün & Gruga) seien nicht sicher genug. Im Umweltausschuss, der am Nachmittag die Vorlage eigentlich nur durchwinken wollte, um das Projekt für weitere zwei Jahre abzusegnen, wurde die Dezernentin deutlich: „Wir stehen als Grün & Gruga zu unserem Anteil von 300.000 Euro, aber der Deckungsvorschlag der Sozialverwaltung fand keine Akzeptanz. Ob es die geben wird, halte ich derzeit für sehr fraglich.“ Aus ihrem Haushalt für Umwelt und Bauen könne sie die eine Million Euro nicht stemmen: „Da ist absolut keine Luft mehr. Das sage ich ganz klar und das werde ich so auch im Bauausschuss erklären.“ Wenn der Stadtrat im September aber nicht wie geplant entscheide, sei die Beschäftigungsgesellschaft gezwungen, „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ gegenüber den Mitarbeitern zu ziehen. Die städtische Beschäftigungs-Tochter AEBG müsste Kündigungen aussprechen und neuen Qualifizierung-Teilnehmern absagen. Diese Situation sei ganz klar der Haushaltslage geschuldet, sagte Simone Raskob.

Im Umweltausschuss fanden die Sprecher der Ratsfraktionen dazu deutliche Worte: Unfassbar, nicht erklärlich, kurzsichtig, nannte die Politik den Vorgang. „Wir brauchen dieses Projekt“, sagte CDU-Ratsherr Bernd Flügel. „Die Stadtteile brauchen es, die Menschen in dieser Stadt. Die Entwicklung am Niederfeldsee in Altendorf wäre ohne Neue Wege zum Wasser nicht denkbar. Das gilt für viele Projekte, die wir in den vergangenen Jahren entwickelt haben.“ Rolf Fliß verwies für die Grünen auf die vielen Arbeitslosen, die hier den Weg zurück in eine feste Beschäftigung finden: „Neue Wege zum Wasser schafft Arbeit und gibt den Menschen eine Perspektive. Das Aus wäre sozialpolitisch ein völlig falsches Signal, wir gefährden damit den Essener Konsens.“ SPD-Ratsherr Hans Aring zeigte zwar Verständnis für die Situation des Kämmerers, „aber dieses Projekt muss erhalten bleiben“.

Und so formulierte der Ausschuss am Ende auf Vorschlag der CDU einen Beschluss, der einstimmig verabschiedet wurde, obwohl er noch nicht zu Papier gebracht ist. Im Vorwort wird der Beschluss ein Lob für das Projekt enthalten, dazu eine klare Aussage, das Projekt 2014 und 2015 fortzusetzen und es über die beiden Säulen Umwelt und Soziales in bewährter Weise weiter zu finanzieren. Aus welchen Töpfen, dazu soll die Verwaltung bis zur Ratssitzung Ende September Vorschläge ausarbeiten, um Neue Wege zum Wasser künftig wasserdicht abzusichern.

Ob der Rat dem Beschluss tatsächlich folgt, und was Kämmerer Lars Martin Klieve dazu sagen wird, darauf darf man gespannt sein.