Essen. . Der Essener SPD-Politiker tritt als Direktkandidat im Wahlkreis 119 (Essen II) an, der zu den roten Hochburgen in Deutschland zählt. Obwohl seine Konkurrenz ziemlich chancenlos ist, kämpft der 52 Jahre Sozialexperte und Polit-Quereinsteiger um jede Stimme.

Dirk Heidenblut (52) will nach Berlin. Aber das Ticket für den deutschen Bundestag muss er in Essen lösen: im Wahlkreis 119, einer stolzen SPD-Hochburg, die für seine Mitbewerber als schier uneinnehmbar gilt. In ganz Deutschland, heißt es, soll es nur sechs solcher Hochburgen geben.

Am Rhein-Herne-Kanal in Karnap, zwischen Emscher und Autobahn, zwischen Hochspannungsmast und Kraftwerksschornstein, zeigt sich das Revier mit seinem rauen Charme. Wo sie einst die Kohle der Zeche Mathias Stinnes verluden und sich jetzt ein beliebter Radweg entlangschlängelt, hat der rührige Ortsverein an diesem Nachmittag fürs „1. Karnaper Hafenfest“ seine Schirme aufgespannt - neben Bierwagen, Pommesbude und Mini-Bühne, auf der die „Honey Roses“ Schunkelschlager zum Besten geben und das Arbeiterlied „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“.

Der Kandidat hat ein Heimspiel - und kommt an. „Der Dirk“, sagt einer, „der ist kompetent, steht im Leben“. „Eine ehrliche Haut“ loben sie. Und dass er „kein gieriger Postenjäger“ sei. „Präsent ist er“, finden die Senioren, die der Ortsverein - bundesweit einmalig - ehrenamtlich zum Einkaufen fährt.

Die Fußstapfen, in die der Quereinsteiger, Spezialgebiet Sozialpolitik, in dem alten Arbeiterbezirk treten will, sind groß. Die glorreichen Zeiten allerdings, als Partei-Granden wie Alt-OB Peter Reuschenbach atemberaubende 69,7 Prozent der Erststimmen abräumte, sind vorbei. Bei der Katastrophenwahl 2009 schaffte Rolf Hempelmann nur noch 46,1 Prozent. Ein Abwärtstrend, den Heidenblut umzukehren entschlossen ist. „Ich will wieder zulegen“, sagt er selbstbewusst, „50 plus x wären super.“

Eigentlich hat er die höchste Hürde längst überwunden. Das war letztes Jahr auf dem Parteitag der Essener SPD, als er, seit 27 Jahren Chef des hiesigen Arbeiter-Samariter-Bundes, seinen Konkurrenten ausstach. Ausgerechnet Heidenblut, der Mann aus der zweiten Reihe, der in 30-jähriger Mitgliedschaft nie um Mandate gebuhlt hatte und sich erst 2009 einen Sitz im Rat erkämpfte.

„Seit der Nominierung bin ich im Wahlkampf-Modus, ich kämpfe um jede Stimme“, sagt er. Und zählt das Pensum eines Zwölf-Stunden-Tages auf: EBE-Sommerfest, Kinderfest Kray, Kleingartenfest Altenessen, 100-Jahr-Feier Sportfreunde Katernberg, dazwischen 70 Hausbesuche. Mittlerweile hat er an 10 000 Haustüren geklopft, 40 eigenhändig gebackene Apfel- und Eierlikörkuchen verteilt und bewiesen, dass er auf Menschen zugehen kann. „Viele plagen Existenzsorgen, Leiharbeit ist ein Riesenthema“, sagt er. Aber auch Altersarmut, fehlende Kita-Plätze und die maroden Kommunalfinanzen.

In Berlin will Heidenblut mit anpacken, damit der Bund auch Städten wie Essen endlich unter die Arme greift. Seine Botschaften kommen an, trotzdem finden die Senioren am Karnaper Hafen ein Härchen in der Suppe. „Er ist ruhig, vielleicht etwas zu ruhig“, sagt Rosemarie Naujoks.