Rellinghausen.

Rellinghausen vor einem Jahrtausend: Wer sich hier einer Straftat schuldig machte, der musste sich nicht etwa vor einem Essener Gericht verantworten, sondern dessen Angelegenheit wurde gleich in Rellinghausen geklärt. Aufgrund der Stiftsfreiheit war Rellinghausen unabhängig von Essen. Wer sich jenseits des „Krausen Bäumchens“, einer alten Linde, aufhielt, der hatte sich der Essener Gerichtsbarkeit entzogen und musste sich dem Rellinghauser Vogt stellen. „Ein eigener kleiner Staat war Rellinghausen damals“, erzählt Hans Schippmann.

Klosterähnliches Gebäude

Der CDU-Politiker und Historiker lud zum historischen Rundgang durch die Kirche St. Lambertus und die St. Annenkapelle ein. Dabei erinnerte er an eine Zeit, zu der dort zahlreiche klosterähnliche Wohngebäude standen, wo heute große Bäume das Umfeld der Kirche St. Lambertus schmücken. In diesen sogenannten Kurien wohnten die Stiftsfrauen. Diese Damen des oberen Mittelstands waren zwar auch der Gebetspraxis verpflichtet, lebten aber freier und selbstbestimmter als Nonnen. Wie sich das Leben im mittelalterlichen Rellinghausen gestaltete, wurde im Wesentlichen von den Stiftsdamen entschieden. Nur der Äbtissin mussten sie sich unterordnen.

Als „bedeutendste Äbtissin der Rellinghauser Geschichte“ bezeichnet Schippmann die Äbtissin Mathilde. Als Enkelin von Kaiser Otto I. hatte Mathilde gute Verbindungen zum Kaiserhaus des Heiligen Römischen Reichs und konnte so Initiativen durchsetzten, die den Essener Münsterschatz um viele Kostbarkeiten bereicherten. „Die Goldene Madonna hätte es ohne Mathilde nicht gegeben“, erklärt Schippmann. Aber nicht deswegen glaubt er, dass Mathilde die „Heiligsprechung zustehen würde“. Denn ihre 40-jährige Amtszeit sei eine besonders friedliche Periode gewesen.

Auseinandersetzungen mit anderen Bezirken gab es in der ganzen, fast tausendjährigen Stiftsgeschichte kaum. „Das Stift hat immer eine sehr positive, moderate Kirchenpraxis vorgelebt“, sagt Schippmann. Das merke man auch daran, dass die St.-Lambertus-Kirche eines der wenigen Gotteshäuser sei, das in einer Absenkung statt auf einer Höhe gebaut worden ist. „Das Stift war stets ein Ort der Zurückgezogenheit. Hier wollte man sich nie aufdrängen“, erklärt Schippmann.

Mit seiner Zeitreise weckte Schippmann bei vielen der etwa 40 Teilnehmer Heimatgefühle. „Wenn man ein solches Wissen erlangt, dann fühlt man sich plötzlich viel verbundener mit Rellinghausen“ erzählt Klaus-Wilhelm Klein. Und auch Winfried Heinrichs von der Bürgerschaft Rellinghausen ist „sehr dankbar“ für die historischen Details. Einer von Heinrichs Vorfahren arbeitete zwar als Zimmermann im Stift. „Trotzdem waren mir viele Zusammenhänge überhaupt nicht klar“, gesteht er. „Aber jetzt weiß ich ja Bescheid.“