Essen. Wegen schweren Raubes stand ein 22-jähriger Essener vor dem Landgericht - und das nur wegen einss Fotos in der Polizeikartei. Denn auch wenn der Mann vorbestraft ist, gehört ein Raub nicht dazu. Richterin Jutta Wendrich-Rosch bezeichnete die Polizei-Ermittlungen als “nicht ideal“.
Ein Foto, mehr braucht es nicht, um wegen schweren Raubes vor einem Landgericht auf der Anklagebank zu sitzen. Weil es aber wirklich keinen einzigen Beweis für den Kiosk-Überfall gab, sprach die VI. Essener Strafkammer den 22-Jährigen aus Essen-Gerschede frei.
Vorstrafen hat der junge Mann, aber ein Raub gehört nicht dazu. Wegen der Vorstrafen lag aber sein Foto in der Polizeikartei, die dem überfallenen Kiosk-Paar aus Dellwig nach der Tat gezeigt wurde. Dort hatten die beiden Pächter den Angeklagten wiedererkannt. Es war ein professioneller Überfall, dessen Opfer sie am 25. November 2012 wurden. Zwei Männer, maskiert mit Palästinensertüchern, betraten den Kiosk um 22.10 Uhr. Beide trugen Handschuhe, einer von ihnen eine schwarze Pistole mit rotem Strich.
1000 Euro aus der Spardose
„Er richtete die Pistole auf mich“, schildert die 27-Jährige. „Geld aus der Kasse“, habe er gefordert und sich selbst bedient. Danach drängten die Täter das Pärchen in einen Nebenraum, leerten 1000 Euro aus einer Spardose.
Zum Schluss zog einer der Räuber das Tuch herunter. Nur am Gesicht hatten die Kiosk-Pächter den Täter später wiedererkannt. Dass sie ihn zudem als recht groß beschrieben, hätte die Ermittler stutzig machen müssen. Im Gerichtssaal identifizierten die Opfer ihn nicht. Beim Größenvergleich waren sie sich sogar sicher, dass der Angeklagte nicht der Täter war.
Staatsanwältin Melanie Droste beantragte Freispruch, weil es eben keine anderen Beweismittel gegen den Angeklagten gab. Verteidiger Victor Berger schloss sich an.
Drei Minuten für das Urteil
Die VI. Strafkammer brauchte nur drei Minuten, um den Freispruch zu beschließen. Richterin Jutta Wendrich-Rosch wollte zwar „keine Polizeischelte betreiben“, nannte die Ermittlungen aber „nicht ideal“. So sei das Foto des heute 22-Jährigen vier Jahre alt, er trage darauf auch eine Mütze, die die Ohren bedeckt: „Er ist deutlich älter, und das Hervorstechende an ihm sind die Ohren.“
Die Zeugen treffe keine Schuld, weil sie immer von einem größeren Täter gesprochen hätten. „Freispruch erster Klasse“, betonte die Richterin und ließ bei der leichten Polizeischelte unerwähnt, dass die Staatsanwaltschaft eine Anklage geschrieben und das Gericht diese zugelassen hatte. Immerhin saß der Angeklagte, der die Tat immer bestritten hatte, wegen dieser Sache nicht in U-Haft.