Die Einheit der Städte zwischen Dortmund und Duisburg wird gern beschworen: Ruhrgebiet, -metropole, -pott. Dabei endet die Solidarität oft am Ortsausgangsschild. Erst recht im Fußball: Da gilt klare Kante. Hier Essen, dort Gelsenkirchen. Auf dieser Stadtgrenze funktioniert kein Freundschaftsspiel. Weswegen es den hiesigen Rot-Weiß-Fans - gelinde gesagt - stank, dass Schalke im Limbecker Platz seinen neuen Shop mit dem Slogan „Heimspiel in Essen“ bewarb. Ausgerechnet.
Bettwäsche 04, Schalker Lätzchen und royalblaue Kinkerlitzchen – das mag im Devotionalien-Handel gut gehen, doch der Slogan „geht gar nicht“, machten Essens Fans im Internet ihrer Wut Luft und kommentierten im Einkaufszentrum im Vorbeigehen den Marketinggag deutlich – bis der Verein einknickte, den Werbe-Schnickschnack auf der Bauwand überpinseln ließ, und, man kann sich nicht verkneifen zu sagen, das Heimspiel verloren gab
Wieso der Boden zwischen den Fans so umkämpft ist? „Das hat gute Gründe“, hat uns Leser Hermann Lenz jüngst bei einer Führung durchs Stadion Essen erklärt: Im Auf und Ab des RWE durch die Ligen stolperte man einst über Schalkes „Faulspiel“. „Die haben Spiele geschoben, das ist sogar nachgewiesen worden“, sagt Lenz. Und in direkter Folge, so geht die Legende, stieg der RWE ab.
Der Reiz-Satz ist weg
Nun ist das Jahre, ach, Jahrzehnte her, aber noch immer sehen die Essener Rot, wenn sie Blau sehen. Doch nun ist der „Reiz-Satz“ ist weg: „Das war auch Zeit“, sagt wütend Michael Perzer vor dem Shop im Bau. „So eine Unverschämtheit hätte man denen gar nicht durchgehen lassen dürfen“, schimpft er sich in Rage. „Wie muss man gestrickt sein, um überhaupt auf so eine ...-Idee zu kommen?“
Petra Hinkel „steht dem Fußball unemotional gegenüber“, aber „wieso man so provozieren muss, das verstehe ich nicht. Die Gelsenkirchener wären doch auch nicht erfreut, wenn der RWE so was machen würde“, sagt sie. „Aber“, hakt sich Franz Polowski ein, „man könnte auch ein bisschen toleranter sein. Die sollen auf dem Platz ihren Verein anfeuern und nicht Stimmung gegen Geschäfte machen.“ Doch eben das hätten RWE-Fans geplant, wie eine Service-Kraft aus dem Limbecker berichtet: „Die wollten mit Transparenten und Plakaten gegen den Laden demonstrieren.“
Eine Protest-Wut, die der Fußballlaie höchstens, aber allerhöchstens angesichts eines Einmarsches der Blau-Weißen ins RWE-Stadion erwartet hätte. Dem Profi hingegen, der sich täglich im Geschäft mit emotionalem Fan-Sein bewegt, hätte das klar sein müssen. Der Center-Manager Oliver Kraft immerhin ahnte es: „Wir haben mit Kritik der RWE-Fans gerechnet, aber nicht in dem Ausmaß “, sagt Kraft. Weil man es sich mit den Jungs von der Hafenstraße aber auch nicht verscherzen wollte, „haben wir Schalke gebeten, den Schriftzug zu übermalen.“ Und dem habe man ohne Zögern entsprochen, wie Schalke 04-Sprecher Thomas Spiegel erklärt. „Schließlich suchen wir bei der Standortwahl für unsere Shops nicht die Konfrontation.“
Ob die Diskussion nach Entfernung des Slogans abkühlt? „Mag sein“, sagt Patrick Weber. „Aber für mich steht fest, dass ich den Laden nicht betreten werde.“ Und während er so steht vor dem Schalke-Shop, der im September eröffnet, und unmutig schimpft, läuft ein junger Mann hinter ihm vorbei, der ein Fan der Knappen sein mag. Den Daumen reckt er hoch vor der blauen Bauwand und schmunzelt.
Man darf wohl ein wenig froh sein, dass Patrick Weber das nicht mitbekommen hat, denn der hätte dem Königsblauen sonst wohl die rote Karte gezeigt.