Für Brunhilde Jess war die Kleidersortierung der Diakonie ein Riesenglück, sagt sie. Nicht etwa, weil die 59-Jährige Hosen oder Pullover brauchte, sondern einen Job. Vor 25 Jahren schloss das Kaufhaus, in dem die gelernte Einzelhandelskauffrau gearbeitet hatte. Es folgte Arbeitslosigkeit: „Und irgendwann wegen meines Alters kaum eine Chance, auf dem ersten Arbeitsmarkt unterzukommen“, sagt Brunhilde Jess die inzwischen als Anleiterin bei der Sortierung an der Mittwegstraße beschäftigt ist: 39-Stunden-Woche, Vollzeit, Festanstellung.
„Ich fühle mich hier aufgehoben“, sagt Brunhilde Jess. Sie erledigt Bürotätigkeiten und hat ein offenes Ohr für Probleme der Menschen, die als so genannte 1-Euro-Jobber für bis zu 18 Monate in eine Maßnahme kommen. So wie sie damals vor zwölf Jahren. Es geht darum, Langzeitarbeitslose zu qualifizieren, ihnen aber auch eine Tagesstruktur zu geben.
So arbeiten in der Kleidersortierung etwa 70 Menschen in der Gemeinwohlarbeit. Fahrer und Beifahrer sind auf den Lkws unterwegs, sammeln Kleider aus den Containern oder holen sie zu Hause ab. An der Mittwegstraße landen die prall gefüllten Säcke bei den rund 20 Frauen auf den Tischen im ersten Stock. In der großen Halle stehen Kleiderständer, an denen Jacken in allen Mustern und Farben hängen, daneben karierte und geblümte Blusen, Sommermäntel aus dünnem Stoff. Darüber türmen sich die Kartons mit der Winterware. Hinten hängen die Lederjacken, die erst zur Übergangszeit im Herbst und im Frühjahr gefragt sind. Links davon Kindersachen. Genug ist es nie: „Der Bedarf wächst, wir sind das ganze Jahr über auf die Spenden angewiesen“, sagt Jens Schmalenberg, Betriebsleiter beim Diakoniewerk.
Die Kleidersammlung ist zum Dauerthema geworden, sagt Schmalenberg. Rund 40 000 Kleidungsstücke hat die Kleiderkammer, die sich an der Hachestraße befindet und in Trägerschaft von Caritas, Rotem Kreuz und der Diakoniewerk ist, im Vorjahr ausgegeben. Es sind Kleider, die die Bürger aussortieren. Bedarf haben etwa Obdachlose, Hartz-IV-Empfänger, aber inzwischen immer mehr Rentner oder Beschäftige aus dem Niedriglohnsektor. In der Kleiderkammer gibt es die Jacken, Hemden und Hosen kostenlos. Wer einkaufen möchte, kann das in einem der Diakonieläden, deren Zahl auf fünf gewachsen ist. Auch in diesen sind im Laufe der Jahre feste Arbeitsplätze entstanden, sagt Lana Amberge, stellvertretende Betriebsleiterin. In den Läden kostet etwa ein Badeanzug drei Euro, ein Hemd auch, die Flip-Flops einen Euro. Auch all diese Sachen kommen aus der Kleidersortierung.
Dort steht Elke Koch (39) am Tisch, zieht Röcke und Jacken aus den Säcken und prüft, ob die Kleider sauber, alle Knöpfe dran sind und ob der Reißverschluss funktioniert. Einiges bügelt sie noch, macht diese Arbeit gern. „Besser als zu Hause“, sagt die Mutter von fünf Kindern. Eine Ausbildung hat sie nicht gemacht, hat dennoch um Beschäftigung gekämpft, bekam immer wieder Maßnahmen. In die Sortierung kommt sie seit 18 Monaten, hat einen Acht-Stunden-Tag und einen Tag frei in der Woche. Inzwischen hat sie ein Konto eröffnet, ihr erstes. Ihre Maßnahme läuft nun zwar aus, doch Elke Koch wird bleiben: „Ich werde Bufdi“, sagt sie und tritt am 1. September ihren Bundesfreiwilligendienst an.