Der freundliche Nachbar klingelte, bat um Salz und vergewaltigte die junge Frau. Ein tagelanges Martyrium erlitt eine 30-jährige Essenerin Anfang März, eingesperrt in ihrer eigenen Wohnung. Seit Mittwoch muss sich Andreas H. (46) wegen Geiselnahme, Vergewaltigung und Körperverletzung vor dem Landgericht Essen verantworten.
Langjähriger Alkoholiker
Der Angeklagte, ein langjähriger Alkoholiker, räumt die Vorwürfe zwar ein. Eine Erinnerung an die brutalen und perversen Details der Vergewaltigungen will er aber nicht mehr haben. „Ich kann mir die Tat selbst nicht erklären“, erzählt er den Richtern der VI. Strafkammer. Er wisse auch nicht, warum er gerade die Nachbarin als Opfer ausgesucht habe: „Ich war ja nicht sauer auf sie.“
Schmächtig ist die Frau, 1,55 Meter groß. Da war es leicht für den 80 Kilo-Mann, der sein Opfer um 20 Zentimeter überragt, die Frau zu überwältigen. Als sie ihn am 8. März in ihre Küche ließ, zog er ein Messer. Damit sie nicht schrie, hielt er ihr die Hand vor den Mund. So heftig, dass er ihr den Kiefer ausrenkte.
Ein schreckliches, zugleich bizarres Wochenende. Auf der einen Seite die 30-Jährige, die erst drei Monate zuvor an die Steeler Straße gezogen war. Sie hatte psychische Probleme, war oft in der Psychiatrie. Der Umzug sollte ihr helfen, ein unabhängiges Leben zu führen. Während des Wochenendes nahm sie immer wieder Psychopharmaka zur Beruhigung, um mit der Situation fertig zu werden. Auf der anderen Seite der Angeklagte, der wegen Alkohol die Bundeswehr verlassen musste und zur Tatzeit eine stationäre Entgiftung im Camillus-Haus absolvierte. Nur am Wochenende durfte er nach Hause. Der 8. März war ein Freitag.
Mehrfach vergewaltigte er die Frau, erzählte ihr seine Lebensgeschichte. Zwischendurch holte er Bier am Kiosk. Aber auch die 30-Jährige, die sich in einer Kirchengemeinde engagiert, sprach aktiv mit ihm, vor allem über Religion. Kirchliche Schriften hatte sie auf dem Tisch, gab ihm davon Blätter. In der Nacht zum 10. März bat sie ihn, sie doch am Sonntag in die Kirche gehen zu lassen. Da ließ er sie gehen.
In der Anklage heißt es dazu, dass er sie gebeten hätte, mit der Anzeige noch einen Tag zu warten. Dann habe er zumindest den Sonntag über noch Ruhe. Tatsächlich tauchte er unter.
Dem Angeklagten droht neben der Haft die Sicherungsverwahrung. Er ist bereits wegen eines Sexualdeliktes zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er 2003 nach dem Tod seiner Ehefrau die 15-jährige Tochter sexuell missbraucht hatte. Als sein Motiv gab er damals an, sie ähnele immer mehr ihrer Mutter.