Dass Heinz Josef Kramer sein Leben einmal dem Heller und Pfennig widmen würden, hätte er vor ein paar Jahrzehnten auch noch nicht gedacht. Wobei es Zahlen dem gebürtigen Essener schon immer angetan hatten. 30 Jahre lang hat Kramer sein Wissen in Mathe und Physik in Borbeck und am Duisburger St. Hildegardis Gymnasium weitergegeben. Nach zwei Wirbelsäulen-OPs war dann Schluss mit der Schularbeit und Kramer, der 1944 zunächst eine Lehre in der Physikalischen Versuchs-Anstalt von Krupp begonnen hatte, stand „vor einer schwarzen Wand“.

60 Jahre und ohne eine ausfüllende Beschäftigung? Kramer fand eine Lebensaufgabe, die ihn bis heute fasziniert – die Numismatik. Numismatik, das Wort klingt für viele nach verstaubten Sammleralben und angelaufenen Münzen. Wenn der heute 85-jährige Jubilar darüber spricht, dann beginnen die alten Taler plötzlich zu erzählen. Denn Kramers Absicht war immer, „die Münzen nicht nur als tote Gegenstände abzulegen“. Dafür hat er nicht nur viel Geld, sondern auch viel zu viel Herzblut in ihre Anschaffung investiert. Gern erzählt der Essener von seiner ersten Auktion in Frankfurt, bei der er gleich eines seiner Lieblingsstücke, einen Taler von 1660 mit dem „lieblichen Porträt der Äbtissin in weltlicher Tracht“ ergatterte. Und auch den Direktor des Münzkabinetts in der St. Petersburger Eremitage hat er problemlos überreden können, eine Kopie des Denars aus der Zeit Kaiser Konrads (1024- 1039) anfertigen zu können. Das Stück galt lange als älteste Essener Münze. Sein Wissen hat er sich mit Eifer angelesen. „Die Fernleihe der Bibliothek wäre fast verrückt geworden“, lächelt der 85-Jährige. Er hat die europäische Fundgeschichte so gründlich studiert, dass sein Buch „Das Stift Essen – Münzen und Medaillen“ von 1993 bis heute als das Standardwerk zur Essener Münzgeschichte gilt.

Fast täglich erreichen den rastlosen Pensionär in Frohnhausen bis heute die Kataloge der Auktionshäuser. Doch sein ehrenamtliches Engagement hat längst reiche Früchte getragen. Nicht nur in der Essener Domschatzkammer, deren Bestände er bearbeitet und um manch hervorragendes Zeugnis des säkularen Wirkens der Äbtissinnen erweitert hat. Auch das Ruhr Museum hat von Kramers Eifer enorm profitiert. Zählte die Sammlung 1991 noch 8127 Objekte, gehören heute 22 000 Stücke dazu, 12 500 Münzen, aber auch Medaillen, Marken, Papiergeldscheine und Siegel.

Fündig wird Kramer dabei nicht nur auf Auktionen. Auch der Recyclinghof in Altenessen ist bisweilen eine Schatzgrube, wo ein Helfer für ihn jede größere Fuhre überprüft. 1500 Objekte sind bislang abgefallen, darunter auch viele Narrenorden. „Ich könnte heute die Geschichte des Essener Karnevalswesens neu schreiben“, sagt Kramer. Auch die Staatsanwaltschaft findet unter nicht mehr zuzuordnender Hehlerware schon mal eine spätrömische Münze. Und dann sind da auch noch die Klingelbeutel, in denen neben Telefon- und Hundesteuermarken auch Raritäten klingeln. Für Kramer sind sie mindestens eine Geschichte wert.