Es war im Jahr 1988 und ich ein junger Reporter, als ich Berthold Beitz zum ersten Mal begegnete. Bei Krupp-Widia hatte sich ein schwerer Unfall ereignet, zwei Arbeiter waren gestorben. Ich kam zum Unfallort, überrascht auf den Vorsitzenden der mächtigen Krupp-Stiftung zu treffen, der vom Hügel nach Altendorf geeilt war und hier wie ein Betriebsleiter agierte. Er war es, der sich kümmerte, die Fragen der Journalisten beantwortete und in jeder Hinsicht Herr der Lage zu sein schien.
Ich habe ihn dann im Laufe der Jahrzehnte noch sehr oft gesehen, und immer fand ich seine Präsenz beeindruckend. Neben ihm wirkten Oberbürgermeister bisweilen klein, und sehr selbstbewussten Leuten rutschte das Herz in die Hose. Er hatte das, was man Charisma nennt - die Fähigkeit, Menschen für sich einzunehmen und sie wohl auch manchmal einzuschüchtern. Und er war ein großer Essener Stadtpatriot, ohne dass er es so genannt hätte.
Essen und Beitz - das war zunächst keine Liebe auf den ersten Blick. Als er 1952 das berühmte Angebot von Alfried Krupp bekam und kurz darauf seiner Frau eröffnete „Wir ziehen nach Essen“, hielt sich deren Begeisterung in Grenzen. In den noch heute bestehenden Kruppschen „Beamtenhäusern“ an der Goethestraße, gegenüber vom Folkwang-Museum, hatte die junge Familie ihre erste Essener Bleibe. Später zog man zum Weg zur Platte, wo Beitz eine Villa bauen ließ mit klaren Linien, bodentiefen Fenstern und wunderbarem Blick auf den Baldeneysee - wenn man so will, das Gegenteil der Villa Hügel.
Je länger, je mehr wurde Beitz in Essen heimisch. Von Liebe wird man vielleicht nicht reden können - die gehörte seiner Heimat in Pommern -, aber er mochte diese Stadt. Und er hat viel für sie getan. Als erstes zu nennen: das Museum Folkwang. Beitz wog vieles, horchte dann auf sein Bauchgefühl und traf schließlich die einsame Entscheidung: Wir bauen neu! Aber auch die Philharmonie wäre ohne die großzügige Hilfe der Stiftung in dieser Form unmöglich gewesen. Beitz nutzte dieses Engagement, um Alfried Krupp ein Denkmal zu setzen, nach dem der große Saal benannt ist. Bei unzähligen anderen sozialen, kulturellen, sportlichen und wissenschaftlichen Projekten in Essen war auf die Stiftung Verlass. Und schließlich wäre auch der Bau der ThyssenKrupp-Zentrale ohne Beitz schwer vorstellbar gewesen. Die Benennung einer Straße noch zu Lebzeiten und die Ernennung zum - einzigen - Ehrenbürger der Stadt war folgerichtig.
„Ich habe Essen gern und möchte hier meine Tage beschließen“ - das sagte Berthold Beitz 1983, als ihm die Stadt den Ehrenring verlieh. So ist es nun gekommen. Auf dem Krupp-Areal des Friedhofs in Bredeney wird er mutmaßlich seine letzte Ruhe finden. Am Rande dieser privaten, parkähnlichen Parzelle, die Ruhestätte vieler Generationen der Familie Krupp-Bohlen und Halbach ist, hatte Beitz vor vielen Jahren seine Eltern umbetten lassen. Hier hat er auch für sich selbst eine Grabstelle festgelegt, wie er einmal bekannte.