Mit einer kleinen Gruppe Schwuler und Lesben, einem Büdchen und ein paar Infoständen hat alles angefangen – 2003, am ersten August-Samstag vor der Marktkirche. Markus Willecke von der Aids-Hilfe und Dietrich Dettmann vom Verein Essen Andersrum erinnern sich daran noch sehr gut. NRZ-Mitarbeiter Pascal Hesse sprach mit den beiden Mit-Organisatoren über zehn Jahre Ruhr-CSD.
Warum brauchte Essen überhaupt einen eigenen CSD?
Dettmann: Wir hatten lokalpolitische Ziele. Es ging uns zum Beispiel um eine Neuauflage des Handlungsprogramms gleichgeschlechtliche Lebensweisen, die finanzielle Unterstützung für das schwul-lesbische Jugendzentrum und die Essener Aids-Hilfe. Und darum, Flagge zeigen zu können. Schwule und Lesben fahren natürlich auch zum Kölner CSD, doch wenn wir in Essen feiern, können wir unsere Freunde, Nachbarn und Verwandte einfach mitnehmen und ihnen zeigen, wie ein echter CSD ist und was ihn ausmacht.
Wie war denn 2003 vor der Marktkirche – hatten Sie Muffensausen?
Dettmann: Es war schon eigenartig. Wir haben uns das erste Mal rausgetraut. Die offene Darstellung war ja damals noch etwas Besonderes in der Stadt. Damals gab es eine Minibühne, die Travestiegruppe Femme Fatale sponserte einen Auftritt. 2000 bis 3000 Besucher waren es anfangs. Mit heute ist das gar nicht vergleichbar. Die Leute kommen nicht mehr nur aus Essen, sondern aus dem ganzen Ruhrgebiet, um mit uns zu feiern und für gleiche Rechte einzutreten.
Hat sich denn politisch seit dem ersten CSD etwas verändert?
Willecke: Wir haben jetzt einen Ansprechpartner bei der Polizei für schwul-lesbische Gewalt. Es gibt ein Aufklärungsprojekt, bei dem Schwule und Lesben in die Schule gehen und sagen „Ich bin Schwul“, was ein ganz anderer Ansatz ist, als das ganze nur theoretisch abzuhandeln.
Und wo hapert’s noch?
Willecke: Wir glauben, wenn Essen eine Stadt der Vielfalt sein will, sind Schwule und Lesben ein wichtiger Faktor. Es ist schon vieles getan worden, um die Lebenssituation Lesben und Schwuler in Essen zu verbessern. Aber es gibt auch noch einiges zu tun, etwa bei der Weiterentwicklung der Seniorenarbeit bei der Frage, wie es mit Schwulen und Lesben mit Migrationshintergrund aussieht.