Er ist schon als Sportschütze bei Olympia angetreten und hat vor Ceausescu auftreten müssen, bevor er ans Aalto kam. Dort singt Marcel Rosca seit 25 Jahren. Keiner hat im Haus so lange auf der Bühne gestanden wie er.
Eine Theaterkantine ist nicht gerade der beste Ort, um sich als vollendeter Gastgeber zu präsentieren, aber Marcel Rosca macht seine Sache perfekt. Stapelt Tassen, Tellerchen und Zuckerdosen aufs Tablett und strahlt: „Wo wollen wir uns hinsetzen?“ Marcel Rosca ist Kammersänger am Haus, aber irgendwie hat man sofort das Gefühl, ein bisschen mit Mister Aalto persönlich verabredet zu sein. Keiner im Haus hat so lange auf der Bühne gestanden wie er: 25 Jahre. Er war der Fafner im „Siegfried“, der Sarastro in der „Zauberflöte“, er war der grandiose Ramphis in der seit Jahrzehnten gefeierten Kult-„Aida“ von Dietrich Hilsdorf und zuletzt der alte Graf in Hilsdorfs „Räuber“-Inszenierung.
Seine Stimme war sogar mit verantwortlich für den guten Aalto-Ton. Als die akustischen Verhältnisse damals auf der Bühne und im Zuschauerraum austariert wurden, da hat sein voller Bass akustische Hilfestellung gegeben. Nun feiert das Aalto Jubiläum und Rosca seinen Abschied. Ein bisschen Melancholie klingt mit, wenn er von seinen großen Partien erzählt.
Rosca, gebürtiger Rumäne, geborener Publikumsliebling, hat die Musik von klein auf eingesogen. Die Eltern gehörten zu den gefeierten Sängerstars des Landes, mit vier hatte der kleine Marcel seinen ersten Bühnenauftritt, mit neun gab er sein erstes Klavierkonzert. Dass ihn neben der großen Liebe für die Musik auch noch die Leidenschaft für Waffen gepackt hat, macht Roscas Lebensgeschichte so ungewöhnlich. Denn der dreifache Vater ist nicht nur ein gefeierter Sänger, sondern auch ausgezeichneter Sportschütze, er hat sogar eine Silbermedaille bei den Olympischen Spielen geholt. „Einmal habe ich auch einen Pokal von Grace Kelly überreicht bekommen. Meine Knie haben vielleicht geschlottert“, lacht der Opernsänger.
„Grace Kelly hat mir einen Pokal überreicht. Da haben meine Knie geschlottert“
Einen schlecht gelaunten Marcel Rosca kann sich am Aalto kaum jemand vorstellen, auch wenn er manche düstere Erinnerung aus seiner Jugendzeit behalten hat. Als Pfadfinder-Trüppchen hatten sich Rosca und seine Freunde in Zeiten der kommunistischen Diktatur eben nicht nur den edlen Taten verschrieben. „Wir wollten die Welt verändern.“
Doch die Welt schaltete wie so oft auf stur und Rosca wurde nach seinem Schauspiel- und Musikstudium erstmal zur Bukarester Verkehrspolizei versetzt, wo man mit Verdi wenig anfangen konnte. Durch Zufall musste der durch TV-Auftritte im Land schon beliebte Künstler eines Tages für den Lieblingssänger von Ceausescu einspringen. Da hatte ihn die Kunst wieder, aber noch lange nicht die Freiheit. Als ihm 1984 die Flucht nach Deutschland gelang, hat er an vielen Häusern gesungen von Berlin, Hamburg bis Paris, doch keine Oper wurde so unwiederbringlich seine Heimat wie das Aalto. „Etwas hat mich an Essen fasziniert.“ Losgelassen hat ihn diese Faszination nie mehr. Nach über 1000 Auftritten hat ihn der Aufsichtsrat der Theater und Philharmonie 2008 zum Kammersänger erklärt.
Und so, wie Rosca vor 25 Jahren das Aalto mit den „Meistersingern“ eingeweiht hat, hat er nun auch bis zur letzten Vorstellung, der „Frau ohne Schatten“, auf der Bühne gestanden. Zum Abschied gab es natürlich Standing Ovations – und eine Rose aus dem Publikum.