Essen. Bis zum Ende der Sommerferien müssen 700 Meter Schienen zwischen Sälzerstraße und dem Bahnhof Essen West erneuert werden – Gleisbauarbeiter kriegen dabei kein Hitzefrei. Wer bei der nächsten Hitzewelle über die fehlende Klimaanlage im Büro jammert, hat noch nie heißen Guss-Asphalt im Schienenbett verteilt.
Das Schöne an den Sommerferien ist ja, dass die Kinder (und damit auch so manche glückliche Eltern) endlich mal ausschlafen können. Herrlich, oder? Kein Schulstress, kein Weckerklingeln, sechs Wochen lang einfach mal vom harmonischen Vogelgezwitscher aufwachen... Es sei denn, Sie wohnen an der Heinitzstraße, oder der Helmholtzstraße in Altendorf und in Essen West. Da gibt es seit Ferienstart den besonderen 7-Uhr-Weck-Service der Evag: Eine Sinfonie aus Baggerlärm, Pressluftgehämmer und Stromaggregat-Surren – im Zuge der Gleiserneuerung für die Tram.
„Was muss das muss“, heißt es von Bauleiter Frank Bartelt, da könne man keine Rücksicht auf Langschläfer nehmen. Außerdem sei das Monster-Stromaggregat ja schallgedämpft „und nachts arbeiten wir nur im Notfall“. Der Austausch der je 300 Meter langen Parallel-Gleise zwischen der Ecke Sälzerstraße und dem Bahnhof West sei nach 35 Jahren jedenfalls unvermeidbar. Schließlich rattern die Straßenbahn-Linien 106 und 109 hier werktags bis zu zwölf Mal pro Stunde auf und ab, mehr als 150 Mal pro Tag. Und weil sich die Tram hier die Fahrbahn mit allen anderen Verkehrsteilnehmern teilt, bieten sich die großen Ferien für den Umbau ja förmlich an. „Eine Vollsperrung ging zwar schneller, die würde die Stadt aber nie genehmigen“, sagt Evag-Sprecher Olaf Frei. Zumindest in eine Richtung müsse man die Autofahrer noch durchschleusen können.
Nach und nach werden alle Schienen ausgehoben
Und deshalb bietet sich dort dieser Tage ein originelles Vorher-Nachher-Bild: Weil beide Strecken zeitgleich eben nur bei Komplettsperrung beackert werden könnten, sind die Gleise in Fahrtrichtung Altendorf bereits rausgerissen und ersetzt worden, die alten Schienen Richtung Holsterhausen ruhen derweil noch im Gleisbett. Bis bald auch da schweres Gerät rangekarrt und die Fahrbahn aufgerissen wird. Fette Presslufthämmer werden auch da den staubigen Asphalt Brocken für Brocken abnagen, bis die rostroten Stahlschienen ganz frei liegen.
Nach und nach werden dann sämtliche, je 18 Meter lange Schienen-Stücke mit dem Bagger ausgehoben, auf die Ladefläche manövriert, abtransportiert – und in den Schrotthandel gegeben. 250 Euro gibt es derzeit pro Tonne Stahl, verrät Schrott-Händler Georg Prison. Kein geringer „Erlös“ für die Evag – bei 350 Tonnen Alt-Stahl, den allein die Baustelle Sälzerstraße abwirft.
Die nächsten Ferien kommen bestimmt
Für die ganze Austausch-Aktion bedarf es aber nicht nur dicker Maschinen, sondern auch Menschen, die selbige bedienen. Acht bis zehn Gleisbauarbeiter schwitzen und schweißen (sich) pro Schicht einen zusammen. Und wer bei der nächsten Hitzewelle ab Freitag über die fehlende Klimaanlage im Büro jammert, der hat wohl noch nie heißen Guss-Asphalt im Schienenbett verteilt. Oder ein Schweißgerät bedient – bei 30 Grad im Schatten, in vollständiger Schutzmontur. „Lange Hose, Langer Pulli und Warnweste sind Pflicht“, so Bauleiter Bartelt, „Hitzefrei gibt’s nur inne Schule.“ Ob der helmartige Sichtschutz auch gegen Sonnenlicht hilft, ist unbekannt, aber zum Schweißen ist auch dieser unverzichtbar „sonst siehste nachher nur noch Sternchen.“ Das wär’ schlecht, denn so ein Schweißer sollte pro Stunde einen „Stoß“ schaffen, insgesamt acht pro Tag. Bei 18 Meter langen, vorgeformten Schienen-Puzzleteilen sind das für eine 300-Meter-Strecke dann 17 Teile, die mit „Stößen“ verschweißt werden.
Anschließend wird die Fahrbahn decke wiederhergestellt, Stopfbohrer erledigen den Rest. Für den Umbau haben die Jungs nun noch knapp einen Monat Zeit, bis die Schule (und der Tram-Betrieb) wieder startet. Aber die nächsten Ferien kommen bestimmt. Für Sommer 2014 stehen Berthold-Beitz-Boulevard und der Bereich Alfred-KruppSchule auf dem Plan. Anwohner sollten jetzt Urlaub buchen.