. Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid, ist einer der offensivsten Befürworter des teilweisen Messe-Neubaus. Die Stadt könne nur gewinnen, das Bürgerbegehren hält er für fahrlässig.
Herr Krane, die IGR hat den teilweisen Messe-Neubau klar befürwortet. Nun könnte man Ihnen vorhalten, sie vertreten ja nur die Interessen der Gastronomen und Hoteliers in Rüttenscheid.
Rolf Krane: Nein, wir vertreten nicht die Interessen der Wirtschaft, sondern die des Stadtteils und in diesem Fall sogar die Interessen der Stadt Essen insgesamt. Beim Thema Messe geht es um die Zukunft unserer Stadt. Ich finde es erstaunlich, dass Parteien ein Bürgerbegehren initiieren, das der Wirtschaftskraft Essens potenziell sehr schadet.
Diese Parteien sagen, sie sorgen sich um die städtischen Finanzen. Das ist doch ein ehrenwertes Motiv.
Es wird mit falschen Argumenten gearbeitet. Da wird zum Beispiel behauptet, die 123 Millionen Euro für die Messe fehlen dann für die Sanierung von Schulen und die Schaffung von Kindergartenplätzen - das ist definitiv falsch. Das Geld ist nur für diesen Messe-Zweck verfügbar und von der Bezirksregierung auch so abgesegnet. Anderen wird nichts genommen und man könnte es auch nicht für anderes ausgeben.
Die Messe braucht jedes Jahr 13,5 Millionen Euro Zuschuss, und kann nur existieren, weil die öffentliche Hand sie stützt. Ist da nicht Skepsis angebracht, gerade aus marktwirtschaftlicher Sicht?
Ich plädiere für eine übergreifende Sicht. Mit der Messe wird allein in Essen ein jährlicher Umsatz von 360 Millionen Euro erzielt, direkt und indirekt hängen rund 3500 Arbeitsplätze vom Messegeschäft ab - diese Folgeeffekte sind weit größer als der jährliche Zuschuss. Ob man das über Schwimmbäder oder Stadien auch immer sagen kann, da bin ich nicht so sicher. Mit der Messe wird jedenfalls Wertschöpfung für die Stadt erzielt, die es erst möglich macht, soziale Aufgaben zu finanzieren. Insofern bin ich absolut sicher, dass die Messe ein gutes Geschäft für Essen ist. Und solche Einrichtungen muss man eben auch von Zeit zu Zeit modernisieren
Die Messe ist also ein bisschen wie ein Straßennetz - Infrastruktur, durch die dann Wirtschaftskraft entsteht. Meinen Sie das?
So kann man es sehen. Aber sie ist noch mehr. Am Donnerstag war die Pressekonferenz von „Star Wars Celebration“, da waren Journalisten aus vielen Ländern, die Werbung für Essen machen, die man sonst gar nicht bezahlen könnte. Wir haben die Celebration gewonnen gegen Berlin, München, Frankfurt. Warum? Weil die Messe mitten in einem Ballungsgebiet liegt, einen Park hat und die Lage mitten in der Stadt, die Nachbarschaft zu Rüttenscheid, zur Kneipenszene einfach geschätzt wird. So sehen es auch die Besucher und Mitarbeiter der Messen. Das Renommee gerade der großen Fachmessen ist ein Standortfaktor, ein echtes Pfund für Essen.
Die Initiatoren des Bürgerbegehrens sagen, sie hätten ja nichts gegen die Messe, sie wollen nur eine kleinere, bescheidenere.
Wenn die Messe-Geschäftsführung belegt, 70 bis 80 Prozent des Umsatzes entfallen auf die großen Messen, dann ist doch klar, dass wir durch eine Verkleinerung der Messe die Luft abdrehen. Wahrscheinlich müssten wir das Gelände eher vergrößern, und es wäre vermutlich sinnvoll, sogar mehr als 123 Millionen Euro auszugeben. Durch den anstehenden Umbau soll ja im übrigen gewährleistet werden, dass man öfter Messen parallel fahren kann, also wäre auch den kleineren Veranstaltungen damit geholfen.
Das alles kann man glauben oder nicht. Was macht Sie so sicher, dass diese Effekte eintreten?
In den letzten Jahren sind soviele Gutachten eingeholt worden, weil bestimmte Politiker unseren eigenen, gut bezahlten Messe-Mitarbeitern nicht glauben. Und diese Gutachten kamen alle zu dem selben Ergebnis, nämlich dass die Messe-Modernisierung so wie geplant sinnvoll ist. Mal eine Gegenfrage: Warum soll ich denn diesen Fachleuten weniger glauben als Politikern, die überhaupt keine Ahnung haben vom Geschäft? Ich selbst bin ja auch kein Fachmann, aber das Urteil der Fachleute ist einhellig.
Experten können auch irren
Sicher – aber gilt das für Laien nicht viel mehr? Sollen wir Experten abschaffen und künftig alles aus dem Bauch heraus entscheiden? Wenn ich die Wahl habe, dem Experten oder dem Ahnungslosen zu glauben, dann ist doch wohl klar, was ich mache.
„Zu komplex für ein Bürgerbegehren“
Warum soll eine Investition dieser Größenordnung nicht von den Bürgern entschieden werden? Es können ja beide Seiten für ihre Position werben.
Die Legitimität bezweifle ich nicht. Dennoch ist es kein wirkliches Bürgerbegehren, sondern ein Begehren der Grünen und Linken, zweier Parteien, die einfach nicht akzeptieren, dass sie bei einer demokratischen Abstimmung im Rat klar unterlegen sind. Je komplizierter die Zusammenhänge, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Bürgerbegehren eine bessere Entscheidung herauskommt. Und das Messe-Thema ist kompliziert.
Halten Sie die Bürger für dumm?
Nein. Aber wenn man simpel Kindergartenplätze gegen einen Messe-Kredit stellt, dann ist das für viele Bürger eingängiger als wenn man etwas über wirtschaftliche Sekundäreffekte der Messe erläutern muss, was natürlich abstrakter ist. Die Risiken einer Investition sind leicht zu skandalisieren, aber was ist mit den Risiken der Nichtinvestition? Essen kann es sich doch gar nicht leisten, die Messe nicht wie geplant umzubauen, weil dies unter allen, auch extremen Varianten, die untersucht wurden, die billigste ist. Ich bleibe dabei: Warum sollen Bürger im Rahmen eines Bürgerbegehrens schlauer sein als jene Experten, die nichts anderes machen, als das Messegeschäft zu analysieren?
Es klingt, als hätten Sie ein grundsätzliches Problem mit der direkten Bürgerbeteiligung, wie sie seit einigen Jahren in NRW möglich ist.
Die Väter der Verfassung haben sich etwas dabei gedacht, als sie die repräsentative Demokratie etablierten. Es ist aus meiner Sicht bedenklich, wenn immer mehr Entscheidungen gekippt werden - und in diesem Fall sogar nicht einmal von Bürgern, sondern von jenen politischen Parteien, die gut mobilisieren können. Ist das wirklich demokratischer und bei komplexen Sachentscheidungen wirklich fundierter?
„Wir Bürger sollten hinter der Messe stehen“
Sie müssten sich als Interessenvertreter Rüttenscheids auch für die Gruga stark machen...
Tun wir - und für die Gruga sind die jetzigen Pläne von Vorteil. Seit Jahren wird lamentiert über die hässliche Brücke am Gruga-Haupteingang und die unschönen Hallenfronten zum Park hin - das wird nun endlich alles besser und der Park auch gestalterisch bis zum Messeeingang vorgezogen. Für Kur vor Ort sind jetzt feste Parkplätze, sogar zu Messezeiten vorgesehen. Die Grugahalle wird endlich durch den Übergang zum neuen Kongresszentrum wieder besser nutzbar. Alles große Fortschritte - und immer noch ist es nach Ansicht einiger Politiker nicht richtig.
Wie erklären Sie sich das?
Es geht nicht um die Sache. Es geht um Wahlkampf und um Parteipolitik. Dafür wird das wirtschaftliche Wohl unserer Stadt aufs Spiel gesetzt.
Sie fürchten die in Wahlkämpfen unvermeidliche Zuspitzung?
Genau, vor allem die Emotionalisierung. Es werden künstliche Gegensätze geschaffen: Messe gegen Gruga, Messe-Kredit gegen Schulsanierung. Die scheinbaren Alternativen, die wie gesagt gar keine sind, wirken sympathischer. Und natürlich führt der Messebetrieb auch schon mal zu Verkehrsproblemen, die aber übrigens geringer werden nach dem Umbau.
„Auch schon mal“ ist gut.
Wer sich darüber aufregt, muss wissen: Rüttenscheid kann nicht nur von den Rüttenscheidern leben. Die vielen Gäste von außerhalb sind unentbehrlich. Die Geschäfte- und Gastronomie-Vielfalt, von der ja die Rüttenscheider und die anderen Essener auch profitieren, hängt ebenfalls nicht zuletzt an der Messe. Kurzum: Die Messe ist einer der wenigen bedeutenden Wirtschaftsfaktoren unserer Stadt. Da sollten wir Bürger hinterstehen und uns über eine Weiterentwicklung freuen.
Das Gespräch führte Frank Stenglein