Die Messe-Debatte ist tot, es lebe die Messe-Debatte: 165 Minuten lang hat der Rat der Stadt gestern über die korrigierte Fassung des Messe-Teilneubaus diskutiert – „in großer Verantwortung“, wie OB Reinhard Paß am Ende lobte. Und wer eine Überraschung erwartet hatte, war fehl am Platz: SPD, CDU, FDP und Essener Bürger Bündnis bildeten eine große Koalition für die Pläne, 123 Millionen Euro „und keinen roten Heller mehr“ in den Neubau des kompletten nördlichen Hallentraktes samt Kongress-Zentrum zu investieren.

Der dagegen ins Spiel gebrachte Antrag, die Bürger sollten vom Rat um ihre Meinung gefragt werden („Ratsbürgerentscheid“), scheiterte – wie abzusehen – an der dazu erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit. Und weil auch ein Antrag der Grünen keine Zustimmung fand, den eigentlichen Baubeschluss im Herbst nochmals im Stadtparlament zur Abstimmung zu stellen, steht jetzt fest: Grüne und Linke peilen ihrerseits ein Bürgerbegehren an.

Die Frist läuft schon

Es soll, so erfuhr die NRZ gestern, ein so genanntes „kassierendes“ Bürgerbegehren werden, eines also, mit dem die Bürger den gestern gefassten Ratsbeschluss wieder zurückholen. Damit ist auch klar, dass mit dem gestrigen Tag die dreimonatige Frist zur Sammlung der rund 13.600 erforderlichen Unterschriften angelaufen ist.

Bis Mitte kommender Woche soll mit Unterstützung des Münsteraner Rechtsanwaltes Wilhelm Achelpöhler klar sein, welche Frage die Essener Bürger in der Messe-Sache vorgesetzt bekommen, danach muss die Stadt noch eine Finanzauskunft geben – und die Aktion startet. Erst wenn genügend Bürger begehren, anstelle des Rates über den Messe-Um- und Ausbau zu befinden, folgt dann – voraussichtlich Anfang des Jahres 2014 – der eigentliche Bürgerentscheid.

Im Rat mangelte es gestern nicht an Appellen, in Richtung Grüne und Linke, die Risiken ihres Vorgehens zu überdenken: Die Messe“ kleiner und feiner“ auszuformen, wie es die Grünen wollten, bedeute auch, dass sie teurer würde, betonte etwa Thomas Kufen von der CDU: „Sie haben sich für das größere Risiko für diese Stadt entschieden.“ Auch Rainer Marschan (SPD) nahm sich die Grünen vor, die für seine Begriffe „kalte Füße bekommen“ hätten und sich in der Politik stets die Rosinen herauspickten: „Das ist unehrlich gegenüber den Bürgern.“

Auch Udo Bayer (EBB) und Hans-Peter Schöneweiß (FDP) gingen wenig zimperlich mit den Ausbau-Kritikern um, während diese die strategische Frage „Wohin will die Messe?“ bis heute nicht beantwortet sehen: „Die Messe-Ertüchtigung ist nicht nur eine Chance, sondern auch ein Risiko“, sagte Fraktionschefin Hiltrud Schmutzler-Jäger, „und über Risiken haben wir hier nie ernsthaft diskutiert. Das riecht nach Intransparenz und Kungelitis.“ Hans Peter Leymann-Kurtz (Linke) sprach erneut von einer „historischen Fehlentscheidung“ angesichts unerfüllbarer „Heilserwartungen“ an den Neubau.

Während die SPD sich über das auseinanderdriftende Viererbündnis amüsierte, warf die CDU den Genossen Beliebigkeit vor: „Wenn sie nicht den OB stellen würden, der das Messe-Thema zu seinem gemacht hat, wären sie schon lange draußen und würden Unterschriften sammeln“, so CDU-Mann Kufen. Während draußen die Suche nach Namen beginnt, wurde sie drinnen abgelehnt: Ein Antragt auf namentliche Abstimmung fand keine Mehrheit.