Erstmals haben in diesem Jahr zwei Jahrgänge zeitgleich ihr Abitur in NRW gemacht. Tausende junge Erwachsene stehen nun vor der Wahl: Studium, Ausbildung oder vielleicht doch ein freiwilliges soziales Jahr? Seit zwölf Jahren kann man das sogenannte FSJ auch im Bereich „Kultur und Bildung“ absolvieren. Die Abschlussgala der diesjährigen FSJ’ler im Grillo-Theater zeigt: Ein Jahr im Freiwilligendienst lohnt sich.
Man hat viel Freiraum
Caroline Drechsel studiert eigentlich Fotografie. Mitten im Studium fehlt ihr aber die klare Orientierung. „Plötzlich hatte ich einfach das Gefühl, ich muss raus in die Praxis“, erklärt die 24-Jährige. Sie erfährt von der Möglichkeit des FSJ am Grillo-Theater und zögert keine Sekunde. Ein Jahr lang bereitet sie Produktionen vor, schaut dem Regisseur über die Schulter oder kümmert sich um Requisiten. Missen möchte Caroline Drechsel diese Erfahrung nicht. „Man trifft so viele Leute, hat unglaublich viel Freiraum bei der Arbeit und eben auch genug Zeit, sich mit der eigenen Zukunft auseinander zu setzen.“
Sich Gedanken über die berufliche Zukunft machen - das ist es, was viele junge Menschen in den Freiwilligendienst treibt. Auch Simone Schwarz kennt das Problem. Das Abi in der Tasche und dann? „Ich wollte einfach herausfinden, ob ich wirklich in der Veranstaltungsorganisation arbeiten möchte“, erklärt die 20-Jährige. „Gleich für drei Jahre fest binden, wie es in einer Ausbildung üblich ist, wollte ich mich nicht. Da war das FSJ schon eine ideale Lösung.“ Auf dem Welterbe Zollverein hat sich die Abiturientin um Veranstaltungen aller Art gekümmert. Heute ist sie sich sicher: „Ja, ich will genau in diesem Bereich arbeiten.“
Trotz der Abschaffung des Wehr- und Zivildienstes ist das FSJ Kultur bei jungen Menschen gefragt. Für die knapp 220 Einsatzstellen in NRW - 2008 waren es gerade einmal 44 - gibt es insgesamt rund 2500 Bewerber. Auch wenn die Bewerberzahl für das kommende Jahr durch den doppelten Abiturjahrgang verfälscht wird, glaubt Koordinator Thomas Pösz, dass die Nachfrage weiter wächst.
Im Landesvergleich hinkt Essen aber noch deutlich hinterher. Gerade einmal acht Plätze wurden im vergangenen Jahr angeboten. „Für die Größe und kulturelle Vielfalt der Stadt sind wir hier noch relativ zärtlich aufgestellt“, so Pösz. „Den einen oder anderen Platz könnten wir durchaus noch vertragen.“ Grundsätzlich steht der Freiwilligendienst Kultur jungen Menschen unabhängig vom Schulabschluss offen. Wichtig sei nur, dass die Bewerber „kultur-infiziert“ sind.