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Wie hat man eigentlich als Fünfzehnjähriger vor 50, 60 oder 70 Jahren gelebt? Das finden die Jungen und Mädchen des Goethegymnasiums seit 2008 heraus und haben seitdem über 100 Interviews mit Senioren geführt. Nun kann man die interessanten und kuriosen, spannenden und nachdenklichen Geschichten in einem Buch nachlesen: „Damals mit 15.“
Prügelnde Lehrer
Als Werner Schmitz 15 Jahre alt war, brach der Krieg aus. Selbst bei Schnee trug er noch kurze Hosen. Und unter seinen Schuhen hatte er Hufeisen, weil die Sohlen so schnell durchgelaufen waren. Jochen Kramer hatte es als 15-Jähriger nach dem Krieg auf der Goetheschule mit vielen Veteranen zu tun, die niemals Lehrer werden wollten: Ein ehemaliger Hobbyboxer streckte die Schüler bei Fehlverhalten regelrecht nieder, ein anderer verzog sich, wenn ein Flugzeug tief über der Schule flog, unters Pult und schrie: „Volle Deckung“.
Es waren interessante Gespräche, die die Goetheschüler und Senioren geführt haben. „Als Deutschlehrer einer Traditionsschule bot es sich einfach an, mit den Schülern Biografien zu schreiben“, erinnert sich Ideengeber Michael Franke. Texte verfassen, Interviews führen, vorher in die Zeitgeschichte einarbeiten: Die Lerneffekte – das war dem Lehrer schnell klar – waren ausgesprochen vielfältig. Darüber hinaus konnte er den Mädchen und Jungen auch noch Antworten auf Fragen mit auf den Weg geben, auf die so einige von ihnen vielleicht noch gar nicht gekommen waren: Kann man auch ohne Smartphone leben? Wie beschäftigt man sich, wenn das einzige elektrische Gerät im Haus ein altes Radio ist?
Der erste Durchlauf einer neunten Klasse schlug so gut ein, das ein zweiter folgte, schließlich noch ein dritter mit einer siebten Klasse. Insgesamt 110 Menschen, so schätzt Michael Franke, sind so miteinander in Kontakt gekommen, zumeist ein Senior mit zwei Schülern. 80 sind im Buch vertreten.
Unter ihnen ist auch der Verleger Erhardt Krömer (76). Er war so begeistert vom Projekt, dass er sich nicht nur den Fragen stellte, sondern gleich ein Buch daraus machte. Zufrieden blättert er während der Vorstellung im „Endprodukt“. „Gut geworden“, freut er sich. Seinen jugendlichen Partnern Erik Boinowitz, David Gladys und Julius Steiger berichtete er von seiner Flucht im Jahr 1952 in den Westen. Den Draht zueinander gefunden hatten die Beteiligten direkt. „Wir hatten nie das Gefühl eine Grenze zu überschreiten. Es war schon bemerkenswert, wie viel wir als selbstverständlich ansehen, was es früher so nicht gab“, erzählt Erik, der heute 17 Jahre alt ist. Auch bei Krömer bewegte sich etwas: „Viele Erinnerungen waren verschüttet. Das Projekt sollte Senioren Mut machen, die eigenen Geschichten aufzuschreiben – wenn man nicht mehr da ist, ist sonst alles weg.“