Essen. Ein 67-jähriger Duisburger ist wegen fahrlässiger Tötung angeklagt worden. Er soll bei einem Unfall den Tod seiner auf der Rückbank sitzenden Tante verursacht haben. Doch plötzlich steht vor Gericht die Frage im Vordergrund, ob das Krankenhaus die schweren Schädelverletzungen der 78-Jährigen zunächst übersehen hatte.

Der 67 Jahre alte Autofahrer aus Duisburg weist vor dem Essener Amtsgericht jede Verantwortung für den tödlichen Verkehrsunfall am 10. März 2012 in Kettwig zurück. Doch um die Schuldfrage geht es am Mittwoch gar nicht. Geklärt werden soll erst einmal die Frage, ob die massiven Schädelverletzungen des 78 Jahre alten Opfers im Krankenhaus übersehen wurden.

Die Frau saß auf der Rückbank im Wagen ihres 67 Jahre alten Neffen. Laut Anklage hatte er an der Kreuzung August-Thyssen-/Essener Straße die Vorfahrt missachtet und war mit dem Auto eines 34-jährigen Ratingers kollidiert. Die schrecklichen Folgen seien damals gar nicht zu erkennen gewesen, sagt der Rentner, die Tante habe auch nicht geblutet. Sie hätte zum Notarzt sofort gesagt, dass ihr nichts weh tue. Zur genauen Diagnose sei sie ins katholische Krankenhaus in Werden verlegt worden.

Dort sei ein Rippenbruch festgestellt worden. Erst Tage später sei sie ins Uni-Klinikum verlegt worden, wo sie starb. Verteidigerin Wibke Girbert: „Erst in Zusammenhang mit der Verlegung wurde der Schädelbruch festgestellt. Entweder liegt ein Diagnosefehler im Werdener Krankenhaus vor, oder die Schädelverletzung geschah erst lange nach dem Unfall.“

Todesursache soll geklärt werden

Wenn das Gericht dieser Argumentation folgt, wäre der Angeklagte nicht direkt für den Tod seiner Tante verantwortlich und könnte nicht wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden. Amtsrichterin Monique Dreher gab deshalb am Mittwoch ein medizinisches Gutachten in Auftrag, das die Todesursache klären soll.

Verantworten müsste sich der Duisburger Rentner, der die Vorfahrt missachtet haben soll, in einer neuen Hauptverhandlung aber auf jeden Fall wegen fahrlässiger Körperverletzung. Auch sein Unfallgegner leidet noch heute an den Folgen des Zusammenpralls. Der angeklagte Rentner weist ihm die Schuld zu. Der Ratinger soll nämlich unvermittelt hinter einem Lkw mit Hänger ausgeschert sein, um dieses Fahrzeug zu überholen. Der Duisburger Rentner: „Er war für mich nicht einsehbar hinter dem Hänger. Ich konnte doch nicht damit rechnen, dass er sogar über die durchgezogene Linie fährt.“

In einem neuen Prozess, wenn das medizinische Gutachten zur Todesursache vorliegt, sollte er diese Aussage vielleicht überdenken. Amtsanwalt Laurent Piechaczek wies ihn schon auf die Schwächen der Aussage hin: „Laut verkehrsanalytischem Gutachten kann das nicht stimmen.“