Weil immer mehr Roma aus Serbien und Mazedonien in Essen um Asyl nachsuchen, steuert die Stadt in der Asylpolitik eine radikale Kehrtwende an: Asylbewerber sollen grundsätzlich in den ersten drei Monaten nach Antragstellung nicht länger Geld erhalten, sondern nur noch Sachleistungen - zuzüglich eines Taschengeldes. In „Ausnahmefällen“, so Sozialdezernent Peter Renzel, könnte die Frist auf sechs Monate verlängert werden - und zwar dann, wenn die Betroffenen nicht zum ersten Mal Asyl beantragt haben.

In der Praxis dürfe die von Renzel beschriebene Ausnahme zur Regel werden. Bei Asylsuchenden aus Serbien und Mazedonien handelt es sich nach Angaben der Sozialbehörde zu 80 Prozent um so genannte Folgeantragsteller. „Wir haben es ausschließlich mit Roma-Familien zu tun“, so Renzel. Deren Chancen als Asylbewerber anerkannt zu werden, stünden gleich null.

Inka Jatta, Geschäftsführerin von Pro Asyl, sprach gestern in einer ersten Reaktion von einer „Abschreckungspolitik“. Mitte Juli soll der Sozialausschuss über Renzels „Konzept zur Unterbringung von Flüchtlingen“ entscheiden.

Dieses ist für ein Jahr als Pilotprojekt angelegt und sieht ferner vor, dass Flüchtlinge in einer „Erstannahmeeinrichtung“ aufgenommen werden. Dafür ausgeguckt ist das Übergangswohnheim an der Worringstraße in Burgaltendorf. Sollte die Einrichtung mit 120 Plätzen nicht ausreichen, will die Stadt weitere Asylbewerber in der zum Wohnheim umgebauten ehemaligen Grundschule in Kupferdreh-Dilldorf mit 80 Plätzen unterbringen. In beiden Einrichtungen sollen die Flüchtlinge 24 Stunden lang betreut werden, kündigt Renzel an.

Mit dem vorliegenden Konzept reagiert die Stadt darauf, dass sich die Zahl der Asylbewerber aus Serbien und Mazedonien mehr als verdoppelt hat, seit deren Bürger ohne Visum in die EU einreisen dürfen. Zu erwarten sei, dass die Zahl jedes Jahr um bis zu 150 Personen steigt. Aktuell sind in den elf städtischen Übergangsheimen 493 Personen untergebracht, 332 davon aus den beiden genannten Ländern. Die Erfahrung zeige, dass insbesondere Roma-Familien wiederholt die Wintermonate in Essen verbringen - mit der Folge, dass Kinder in ihrer Heimat aus der Schule gerissen werden, wie Renzel betont. Für eine vierköpfige Familie zahle die Stadt derzeit 1200 Euro pro Monat - das Achtfache des Sozialhilfesatzes in den Heimatländern. Der Sozialdezernent setzt darauf, dass ein Asylbegehren weniger attraktiv erscheint, wenn statt Geld Sachleistungen gewährt werden. Unterm Strich zahlt die Stadt erst einmal drauf: Die Kosten liegen um 810 000 Euro höher. Pro Asyl lehnt Renzels Vorschlag prinzipiell ab: Sachleistungen entmündigten die Menschen.