Drei Waschlappen sorgen für Aufsehen in Rüttenscheid: Auf ihnen prangen die Konterfeis der rechtsradikalen NSU-Terroristen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. Dem rechten Trio werden zehn Morde zur Last gelegt. Jetzt hängen die gemalten Portraits der Verbrecher an prominenter Stelle im Eingangsbereich der Galerie „kunstraum“. Passanten stellen sich die Frage: Ist das überhaupt noch Kunst?
„Natürlich ist das Kunst“, sagt Galerist Colmar Schulte-Goltz. „Auch wenn sie weh tut, sie bleibt im Kopf.“ In den Werken, die er ausstellt, sieht er eine „hellsichtige Interpretation von politisch-soziologischen Zusammenhängen“, die zur Diskussion anregen sollen.
Der kreative Kopf hinter den Arbeiten ist der Düsseldorfer Künstler Holger Kurt Jäger. Schon in der Vergangenheit sorgten seine 20 mal 17 Zentimeter großen Waschlappen für Wirbel. Jäger verewigte zum Beispiel Hitler, Bin Laden, Gaddafi oder Kim Yong Il mit Ölfarben auf Baumwolle. „Es sind Einzelfiguren, die die Zeit prägen“, sagt der Künstler. „Ein Verhältnis zu ihnen zu entwickeln, das ist Aufgabe des mündigen Bürgers.“ Was der Künstler von ihnen hält, unterstreicht er dadurch, dass er ausgerechnet Waschlappen als Arbeitsmaterial verwendet.
Bekannte Persönlichkeiten müssen aber weder Bösewicht noch Monster sein, um auf einem Waschlappen zu landen. Es geht dem Künstler auch um den Promi-Faktor. Wer in der gesellschaftlichen Diskussion dauerhaft präsent ist, wird von ihm auf Stoff gebannt. In einer Reihe mit Verbrechern und Diktatoren finden sich daher auch weniger furchterregende Zeitgenossen wie Moderator Dieter Bohlen, Regisseur Woody Allen oder Ex-Bundespräsident Christian Wulff. Was dabei entsteht, nennen Künstler und Galerist eine Art „Tagebuch“: eine Chronik des Zeitgeschehens auf Baumwolle.
Dennoch ist die Zurschaustellung der NSU-Terroristen ein gezielter Tabubruch. Kunstkenner Schulte-Goltz begründet diese „bewusste Provokation“ mit dem Bildungsauftrag, den seine Galerie erfüllen soll. Bewusst habe er jedoch auf eine allzu reißerische Inszenierung verzichtet. „Die Waschlappen sind etwas für Menschen, die Zwischentöne verstehen können.“
Zwischentöne bei NSU-Terroristen? Der Grad zwischen Kunst und Geschmacklosigkeit ist schmal. Aber, im Ernst, wer hängt sich denn Beate Zschäpe an die Wohnzimmerwand? „Noch sind die Werke nicht verkauft“, sagt der Galerist. 180 Euro kostet ein Waschlappen. Nicht viel Geld, meint Schulte-Goltz. Er erwartet, dass die Lappen im Wert steigen. „Für jemanden, der sich mit politischen Fragen beschäftigt, sind sie sehr hochrangige Sammlerstücke“. Der Künstler macht in jedem Fall einen guten Schnitt: gekauft werden die Stoffstücke nämlich für Cent-Beträge beim Discounter.