Esse. Kleines Siedlungshaus verliert gegen moderne Architektur - in den 1960er Jahren war das auch in Essen Alltag. Das Ehepaar Förster erinnert sich, wie es in der Siedlung Brandenbusch in Bredeney der neuen Krupp-Zentrale weichen mussten, die dann jedoch nie kam.
Berthold Beitz erhält die Ehrenplakette des Mies van der Rohe-Hauses in Aachen - das meldete jüngst die WAZ. Else und Wolfgang Förster lasen das, und für sie ist der Name des berühmten Architekten mit einem schmerzlichen Ereignis verbunden: dem Verlust des von ihnen bewohnten Hauses in der Siedlung Brandenbusch.
1961 war das, doch Else Förster weiß es noch wie heute: „Plötzlich kam ein Kündigungsschreiben von Krupp, unser Haus an der Arnoldstraße würde abgerissen.“ Ludwig Mies van der Rohe hatte den Auftrag, ein neues, hochmodernes Gebäude für die Konzernleitung zu bauen, und genau hier, am Rand des Hügelparks, sollte es entstehen.
"Traurig waren wir schon"
Außer dem Haus der Försters standen mehrere weitere Doppelhäuser der idyllischen, ab 1885 gebauten Krupp-Siedlung im Weg und sollten weg. Und sie kamen weg. Und das sehr schnell.
Damals war so etwas keine Seltenheit, und die Försters bestreiten nicht, dass der Konzern so vorgehen durfte. Nein, kein böses Wort über Krupp oder Beitz, „aber traurig waren wir schon“, sagt Frau Förster. Das, zumal der neue Konzernsitz dann gar nicht entstand.
Wohnungen der Bediensteten der Villa Hügel
Nach dem Abriss der kleinen Häuschen stellte sich heraus, dass der Baugrund zu viel Fließsand enthielt, um ein Großgebäude zu tragen, erinnert sich Wolfgang Förster. „Das hätten sie besser vorher erforscht“, sagt der 80-Jährige, der damals als Feinmechaniker bei der Krawa, den Krupp-Lkw-Fabriken arbeitete. Doch die Zeiten waren eben andere, und ein paar alte Häuser schnell abgerissen.
In den immer noch begehrten Häuschen zwischen Frankenstraße und dem Hügelpark wohnten früher nur Bedienstete der Villa Hügel. Else Försters Vater war für die Heizungsanlage zuständig, der Opa ihres Mannes arbeitete in der Schreinerei, der Schwiegervater eines Bruders war Butler. „Das Schloss und die Siedlung - das war wie ein Dorf“, erinnert sich Frau Förster.
Groß, aber laut
Ab und zu traf man bei Spaziergängen auch die „Herrschaften“ - Mitglieder der Familie Krupp-Bohlen und Halbach. Und man hatte natürlich ein herrliches grünes Umfeld - ideal für die zwei kleinen Töchter.
Als Ersatz erhielten die Försters eine Wohnung in den Krupp-Häusern an der Friedrichstraße in Holsterhausen. Schön groß war die, vorher hatte ein Direktor drin gewohnt. Aber die Straße war laut, und der Verkehr floss sogar zweistöckig.
"Protestiert haben wir nicht, das war nicht üblich"
Von den Fenstern aus schaute man auf eine jener Auto-Hochbrücken, wie sie in den 1960er Jahren unter Straßenbauern kurzzeitig in Mode waren - autogerechte Stadt eben. Im Vergleich zu Bredeney eine völlig andere Welt. „Protestiert haben wir nicht, das war nicht üblich.“ Genützt hätte es wohl auch nichts.
Heute wohnen die Försters zufrieden auf der Margarethenhöhe II, die Brandenbusch-Siedlung steht größtenteils unter Denkmalschutz. Und der Bauplatz von Mies van der Rohe ist eine Wiese geblieben.