Dellwig. .

„Irgendwann hatte ich einfach die Nase voll“, sagt Bernd Bracht. Seit zwei Jahren wohnt der 49-Jährige an der Dellwiger Straße – und dort gehe es manchmal zu wie auf einer Rennstrecke. Als er seine Verlobte zum nahe gelegenen Bahnhof bringen wollte, da habe sie so ein Raser beinahe umgefahren. „Der hatte gefühlte 90 Sachen drauf“, sagt Bracht. Und weil er es genau wissen wollte, hat er sich einen Geschwindigkeitsmesser, eine Radarpistole aus Übersee bestellt. Nun ermittelt er in Eigenregie – seit Monaten.

Mit dem Durchgangsverkehr an der Dellwiger Straße ist das so eine Sache. Die ohnehin schmale, zweispurige Fahrbahn wird durch die begleitende Straßenbahnlinie 103 zum Nadelöhr. „Wenn sich Tram und Lkw begegnen, dann weichen Brummifahrer mit Ortskenntnis sofort auf die Gegenfahrbahn aus“, weiß Bracht. „Woanders ist kein Platz, und nebeneinander herfahren ist hier einfach nicht möglich.“

Die Straße führt schnurgrade an seinem Haus vorbei. Und dies verleitet nicht wenige, schneller zu fahren als es die Polizei erlaubt.Die Lage ist den Beamten bekannt. „Wir messen dort selbst regelmäßig“, sagt Rudolf Strehlau, verantwortlicher Polizeihauptkommissar für Essen und Mülheim. Zuletzt im März mit einem nagelneuen Radarwagen. Doch mehr als Tempo 70 zeigte das Display nie.

Bernd Bracht wundert das nicht: „Wenn die Polizei an der Straße steht, dann treten die Autofahrer natürlich sofort auf die Bremse.“ Zudem fanden die behördlichen Messungen vorrangig am Tage statt. Da ist Bracht aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Er peilt den Verkehr aus seinem Dachfenster oder aus dem geparkten Pkw aus an. „Manchmal stehe ich schon um vier Uhr früh auf“, sagt er. Einen Golffahrer habe er in nur vier Tagen zweimal erwischt. Gegen 22.30 Uhr – mit Tempo 131. „Das ist bislang Rekord“, sagt Frührentner Bracht, der bei der Post beschäftigt war, aber aus gesundheitlichen Gründen passen musste. „Sonst ginge das zeitlich gar nicht.“

Warum Bracht noch immer Posten bezieht? „Weil sich bislang nichts geändert hat. Kein Warnschild, nichts.“ Seine Messungen hat er auf CD festgehalten und an Ordnungsamt und Polizei verschickt. Auch in der Bezirksvertretung sprach Bracht vor. „Doch rechtlich sind diese Beweise nicht verwertbar“, erklärt Strehlau. „Das Messgerät ist nicht geeicht, die wechselnden Standorte können zu Ungenauigkeiten führen.“ Was jedoch nicht heißen soll, man nehme die Anregung nicht ernst.

Generell sei eine solche Privatmessung auch erlaubt. „Man darf nur nicht in den Verkehr eingreifen und diesen behindern“, warnt Strehlau. „Das größere Problem ist hier aber die enge Straße und weniger die Tempoverstöße.“

Bracht stört das nicht: Einmal hat er sogar die Polizei ertappt – mit 63 Km/h. „Doch die waren im Einsatz. Da will ich mal nicht so sein.“