Das „Blaue Sofa“ ist im Aalto-Theater nicht irgendein Möbel. Das Sofa ist ein Ort der Begegnungen, der vergnüglichen Bekenntnisse und unterhaltsamen Bekanntschaften. Hier darf man Mensch und Künstler sein. Dramaturgin Ina Wragge hat das „Blaue Sofa“ vor 15 Jahren zusammen mit ihrer damaligen Kollegin Kerstin Schüssler in Essen eingeführt und zu einem der beliebtesten Zusatzprogramme gemacht. Wenn sie am Freitag zusammen mit ihrem Kollegen Nils Szczepanski ins Foyer lädt, wird es ausnahmsweise einen Rollentausch geben. Ina Wragge wird zum Ende ihrer Dienstzeit selbst zur Befragten.
Die Künstler nahbarer machen
Dass sie das Aalto nach 16 Jahren vor dem Hintergrund des anstehenden Intendanten-Wechsels verlassen muss, bedauert die gebürtige Bremerin durchaus. Zumal seitens der neuen künstlerischen Leitung bis heute kein persönliches Gespräch stattgefunden habe.
Dass Ina Wragge im Vergleich mit Kollegen anderer Häuser eine durchaus öffentliche Rolle gespielt hat, hat sicher auch mit der Entscheidung zu tun, den Begleit- und Vermittlungsangeboten im Aalto schon früh größere Bedeutung einzuräumen. Die Einführungs-Matineen wurden mit Amtsantritt von Stefan Soltesz schnell vom Foyer in den Theatersaal verlegt. Inzwischen kommen Hunderte zu den Terminen, um sich im informativen Gespräch zwischen Dramaturgie und Regieteam auf die Premiere einzustimmen. Die meisten Künstler seien erst mal baff, wenn sie auf die Bühne kommen. „Das Parkett ist in der Regel voll. Bei „Tanzhommage an Queen“ mussten wir die Leute fast wieder nach Hause schicken“, erzählt Wragge.
Neben den Matineen ist das „Blaue Sofa“ ein besonders beliebter Anlaufpunkt. In ungezwungener Runde gibt es die Möglichkeit, den Star-Regisseur, die weltberühmte Bayreuth-Sängern für das Publikum ein bisschen nahbarer zu machen. „Da habe ich den Schwerpunkt schon auf den Menschen gelegt“, sagt die studierte Kunst- und Musikwissenschaftlerin, die von Kassel aus nach Essen kam. Gesangsstars wie Luana DeVol und Helen Donath haben über ihre Karriere geplaudert, Schauspielerin Conny Froboess und Guildo Horn waren zu Gast, ebenso wie Star-Choreograf Heinz Spoerli und Regisseur Hans Neuenfels, den eine Publikum-Frage abrupt vom Sofa aufstehen ließ. Auch das muss eine Dramaturgin moderieren.
In ihrem Büro im 6. Stock des Aaltos stapeln sich heute die Dokumente dieses Lebens für die Musik: Plakate, Spielplan-Übersichten, Aalto-Programmhefte, Sinfonie-Konzert-Führer. Viele Erinnerungen hängen daran, an große Aalto-Erfolge wie „Frau ohne Schatten“, aber auch an neue Ideen, Konzepte wie die Reihe „Literaton“ oder die Kammerkonzerte im Museum Folkwang. Das „Blaue Sofa“ hat am längsten überlebt. Ina Wragge hat es mit Freude platziert.