Das schönste Geschenk überreichte ihm der Vorstandssprecher des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR), Martin Husmann. Nein, keinen Bildband mit historischen Straßenbahnen, auch keine Zigarren, teuren Cognac oder was einem sonst so noch einfiele, um den Vorstand der Essener Verkehrs-AG in den vorzeitigen Ruhestand zu verabschieden. Husmann überreichte Horst Zierold als Abschiedsgeschenk den Zuwendungsbescheid des VRR über 7 242 300 Euro zum Bau der Straßenbahnlinie entlang des Berthold-Beitz-Boulevards. Ende 2014 soll die Linie 109 dort fahren.

Ein wertvolles, weil seltenes Geschenk. Denn es ist der erste Neubau einer Straßenbahnlinie seit Jahrzehnten in dieser Stadt und eine Ausnahme in diesen Zeiten, in denen der Öffentliche Personen Nahverkehr im wahrsten Sinne des Wortes erfahren muss, dass es finanziell vorne und hinten nicht mehr reicht. Oder wie es Zierold selbst dieser Tage formulierte: dass „die Decke viel zu kurz ist“.

Er selbst muss nun nicht mehr entscheiden, an welcher Seite der Decke er denn ziehen soll. Diese Entscheidung überlässt er seinem Nachfolger; Michael Feller. Horst Zierold hat keine kalten Füße bekommen, er ist ausgestiegen, mit 64 Jahren ein Jahr früher als ursprünglich vorgesehen, weil ihm die Ärzte dazu geraten haben. Neun Jahre steuerte Zierold die Evag und setzte als Vorstand Via, die gemeinsame Verkehrsgesellschaft für Essen, Mülheim und Duisburg mit aufs Gleis und gestaltete damit regionale Zusammenarbeit, als andere nur in Sonntagsreden davon sprachen. Das Ziel: Kosten senken ohne beim Angebot sparen zu müssen. Es geht. Aber es geht nicht ohne andere, die mithelfen, sagte Zierold anlässlich seiner Verabschiedung vor 270 Gästen im Colosseum. Typisch für einen, der sich nie in den Vordergrund spielt und dem ein solcher Rahmen eher peinlich ist.

Dass bei allen Sparanstrengungen die Schraube nicht überdreht werden darf, auch darauf hat Zierold öffentlich hingewiesen. Er, der – erstaunlich genug für einen, der sonst die leisen Töne bevorzugt – als Stadtkämmerer einmal eine Demonstration durch die Innenstadt anführte, um gegen die unzureichende Finanzausstattung der Kommunen zu protstieren. Als Evag-Chef blieb ihm ein schmerzhaftes Deja-vu-Erlebnis nicht erspart. Angesichts eines Investitionsstaus in dreistelliger Millionenhöhe wird die Evag es aus eigener Kraft nicht schaffen. Wer das Steuer herumreißen will, muss investieren ins Netz. Das Abschiedsgeschenk wäre nur ein Anfang.