Kinder rauben, stehlen, betrügen unter den Augen der Behörden. Doch Polizei und Jugendamt müssen nahezu tatenlos zusehen, wenn kriminelle Organisationen die Lücken zwischen Jugendhilfe und Strafverfolgung suchen, um den Nachwuchs skrupellos für ihre finanziellen Interessen auszunutzen.
Die Fälle scheinen sich zu häufen: Am Montag stahlen drei sechs bis zwölf Jahre alte Mädchen einer 65-Jährigen am Kaiser-Otto-Platz in Steele 500 Euro, entkamen aber unerkannt. Zwei Tage später fasste ein Polizist eine 13-jährige Trickbetrügerin aus Südosteuropa. Ebenfalls am Kaiser-Otto-Platz war das Mädchen einer Bankkundin zuvor gekommen und hatte 300 Euro aus einem Geldautomaten erbeutet. Der zufällig anwesende Beamte hielt die 13-Jährige bis zum Eintreffen seiner Kollegen fest, obwohl ihm das sich heftig wehrende Mädchen die Unterarme blutig kratzte. In seiner Vernehmung schwieg das Kind. Da nicht klar war, wer und wo seine Erziehungsberechtigten sind, wurde die 13-Jährige nach Rücksprache mit dem Jugendamt in ein Heim gebracht.
Lange wird die Minderjährige dort wohl nicht bleiben und weitermachen, wo sie in Steele aufgehört hat: Allein in diesem Jahr ist das Mädchen der Polizei bereits mehr als 20 Mal nach ähnlichen Delikten ins Netz gegangen.
„Vollkommen unbefriedigend“
Auch wenn Christina Bäuerle nicht bestätigen kann, dass sich solche Fälle häufen („in vergangenen Sommern hatten wir vergleichbare Problemlagen“) – der Frust ist jedesmal groß. „Das ist eine vollkommen unbefriedigende Situation“, sagt die Chefin des Jugendamts, mitansehen zu müssen, wie skrupellose Hintermänner Kinder und Jugendliche benutzen, denen so ein Aufwachsen abseits krimineller Karrieren unmöglich wird.
Die jungen Täter sind strafunmündig, und „wir haben keine Möglichkeit sie in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen“, sagt Bäuerle. Dafür sei ein familiengerichtlicher Beschluss notwendig. Doch selbst wenn ein solches Verfahren angestoßen werden würde – bis es beendet ist, sind die Minderjährigen über alle Berge und werden in anderen Städten straffällig.
Vor dem Hintergrund der Armutszuwanderung aus Südosteuropa ist Bäuerle deshalb überzeugt: „Wir müssen uns mit einer Analyse der Situation beschäftigen und gegebenenfalls über Anpassungen der Verfahrensrichtlinien nachdenken.“
Was seine Jugendamtsleiterin noch sehr vorsichtig formuliert, macht Sozialdezernent Peter Renzel deutlicher. Mit Blick auf die Reisefreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren bereitet sich schon jetzt eine interbehördliche Steuerungsgruppe aus Stadt, Polizei und Staatsanwaltschaft „strategisch aufs nächste Jahr vor“, sagt Renzel. Schon jetzt werden die Zuzüge der Menschen nach Essen „engmaschig analysiert“. In der Stadt leben zurzeit 2800 Rumänen und Bulgaren. Man wolle denjenigen unter den Zuwanderern angemessen begegnen können, „die sich nicht an die Spielregeln halten“.