Essen. Der Strukturwandel hat die Schreibtische erreicht. Früher demonstrierten Männer mit Helmen und Blaumännern, heute tragen die Demonstranten Anzug und Schlips. Rund 300 Mitarbeiter von Thyssen-Krupp aus den Unternehmensbereichen Service, IT und Immobilien gingen auf die Straße.

Gegensätzlicher könnte ein Bild kaum sein. Während der Demonstrationszug mit etwa 300 Beschäftigten von Thyssen-Krupp aus den Unternehmensbereichen Service, IT und Immobilien vor dem Gebäude Q2 der schicken Firmenzentrale hält, macht ein Fotokünstler Aufnahmen auf dem weitläufigen Campus. Er fängt die sich im Wasser des künstlich angelegten, rechteckigen Teichs spiegelnden Bürogebäude ein. „Ich bin heute hier, weil es beinahe windstill ist und das Wasser sich kaum bewegt“, sagt er.

Dabei droht ein Sturm über dem Konzern aufzuziehen. Dessen Ankündigung, weltweit 3000 von 15.000 Arbeitsplätzen in der Verwaltung zu streichen, sorgt für große Unruhe unter den Beschäftigten der Service-Töchter Business Services, IT Service und Real Estate. Sie gehen erstmals auf die Straße und tragen Plakate vor sich her auf denen steht „Heute wir, morgen ihr, übermorgen alle“.

„Dachte, einen sicheren Arbeitsplatz anzutreten“

Der Strukturwandel hat die Schreibtische erreicht. Früher protestierten Männer mit Helmen und Blaumännern gegen ihre drohenden Entlassung. Heute haben sich Anzug- und Schlipsträger eingereiht, die auf roten Trillerpfeifen ihren Unmut äußern und Mützen der IG Metall auf dem Kopf haben. „Für uns ist es das erste Mal, dass wir auf die Straße gehen“, sagt Jörn-Peter Urbanek, Betriebsratsvorsitzender der 2010 in einem eigenen Unternehmen zusammengefassten IT-Sparte.

Demo gegen Personalabbau

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Für einen Beschäftigten, der im Bereich Finanzen der TKBS arbeitet, ist es das erste Mal überhaupt, dass er an einer Kundgebung dieser Art teilnimmt. 2011 war er zum Weltkonzern Thyssen-Krupp gekommen und dachte, einen sicheren Arbeitsplatz anzutreten. „Jetzt herrscht große Unsicherheit unter den Leuten.“ Vor allem die Ungewissheit, was passieren wird, zehre an den Nerven.

Beschäftigte und Gewerkschaft fordern klare Aussagen

„Das ist einer der Gründe für diese gemeinsame Betriebsversammlung“, sagt Holger Neumann von der IG Metall. Beschäftigte und Gewerkschaft fordern klare Aussagen von der Konzernzentrale. Von einer Versicherung, es werde keine betriebsbedingten Kündigungen geben, weiß Neumann nichts. „Es gibt nur die Vereinbarung, man wolle betriebsbedingte Kündigungen möglichst vermeiden.“

Auch ein Bekenntnis zum Standort Essen und zur Tariftreue fordert er ein. Und IT-Betriebsrat Urbanek ergänzt: „Uns ist klar, dass die TKBS umstrukturiert werden muss und dass das personelle Konsequenzen haben wird.“ Aber es müsse über das Wie gesprochen werden, etwa über Qualifizierungsmaßnahmen. Und dann stünde noch eine andere Frage im Raum. Wenn 300 Arbeitsplätzen verloren gehen, wer soll wie die anfallende Arbeit bewältigen?

„Das war ein guter Auftakt“

Ganz sicher waren sie sich im Betriebsrat nicht, wie viele Teilnehmer sie für die Kundgebung auf die Beine stellen und wie viele der 1100 Beschäftigten aus drei Thyssen-Krupp-Töchtern an der Betriebsversammlung teilnehmen würden. Es war die überwiegende Mehrheit. „Die Veranstaltung hat uns Auftrieb gegeben“, sagt Holger Hollnack, Betriebsratschef der Thyssen-Krupp Business Services. Nach dem zweieinhalbstündigen Meinungsaustausch, an dem Vorstand Guido Kerkhoff teilnahm, „denke ich, werden wir jetzt ernster genommen.“

In einer Presseerklärung kündigte das Unternehmen derweil in dürren Worten an, bis zum 1. Oktober „in enger Abstimmung mit den jeweiligen Mitbestimmungsgremien“ ein konkretes Konzept dafür zu entwickeln, wie die Bereiche Business Services und IT Service in den weltweit aufgestellten Globals Shared Services gebündelt werden.

Dass die im Raum stehende Zahl von 300 Arbeitsplätzen, die abgebaut werden sowie möglicherweise einige weitere aus dem IT-Bereich, durch Verhandlungen reduziert werden können, davon geht Betriebsrat Hollnack nicht aus. „Dazu bin ich zu lange im Geschäft“, sagt der 56-Jährige, der seit 1975 im Unternehmen ist. Anders sehe es bei der Zeitschiene und anderen Details aus, damit „die Leute mit Anstand nach Hause geschickt“ werden können. Hollnacks Eindruck: „Das war ein guter Auftakt für uns. Aber ich erwarte harte Auseinandersetzungen.“