Essen. Der Streit um Baumfällungen zwischen Stadt und Bürgern hat in Essen eine neue Stufe erreicht: Ein Biologie-Lehrer hat die Forstverwaltung Grün und Gruga sowie einen ihrer Förster angezeigt. Im Schlagen alter Eichen und Buchen im Schellenberger Wald sieht er einen Verstoß gegen die „Schutzziele des Naturschutzgebiets“.

Ein Streit um die Notwendigkeit von Baumfällungen zwischen Stadt und Bürgern ist nicht neu. Dieser hat eine neue Qualität. Die Forstverwaltung der städtischen Gesellschaft Grün und Gruga sowie einer ihrer Förster sieht sich einer Strafanzeige ausgesetzt. Eingereicht bei der Staatsanwaltschaft Essen hat sie Franz-Josef Adrian.

Der Biologie-Lehrer aus Bottrop wirft Grün und Gruga vor, mit dem Schlagen von alten Eichen und Buchen im Naturschutzgebiet Hülsenhaine im Schellenberger Wald gegen „Schutzziele des Naturschutzgebiets“ verstoßen zu haben. Er beruft sich auf die vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (Lanuv) verfasste Objektbeschreibung. Als eine der notwendigen Maßnahmen wird dort genannt: „Altholz erhalten“.

Lebensraum vieler Tiere wäre zerstört

Mit dem Fällen würde aber nicht nur schützenswerter Baumbestand vernichtet in einem Gebiet, wie es in der Objektbeschreibung heißt, das „für den Biotopverbund im Ballungsraum herausragende Bedeutung“ hat. Es würden auch Lebensräume wild lebender Tiere wie der Spechte und geschützter Tiere wie dem Eremiten, einem seltenen Käfer, zerstört. Fatal sei das Abholzen auch für die geschützte Stechpalme. Die benötige jenen Schatten, der durch das Fällen an einigen Stellen kaum noch vorhanden sei.

Adrian zeigt in einigen der Holzpolter, die auf dem parallel zur Heisinger Straße liegenden Weg am Rand gestapelt sind, auf besagte Höhlen. Ein Großteil der Bäume sei aber schon abtransportiert worden. Wie viel genau, vermag Grün und Gruga nicht zu sagen, da das Holz „mit anderen Maßnahmen zusammen gelegt wurde“.

„Und das meiste davon ist nur Brennholz“, so Adrian. Was besonders tragisch sei. Da die Einnahmen pro Festmeter gering seien, müssten besonders viele Bäume gefällt werden, um nennenswerte Erträge zu erzielen. „Und dafür werden noch ökologische Gründe vorgeschoben“, so der 51-Jährige. Es gehe nur darum, Einnahmen zu erzielen, „um eine schwarze Null schreiben zu können“.

Es gehe vielmehr um den Bürgerwald

Dem widerspricht Grün-und Gruga-Sprecher Eckhard Spengler. „Wenn wir Waldbewirtschaftung betreiben würden, müssten wir Flächen mit hochwertigen Bäumen bewirtschaften, keine Bürger in den Wald lassen und die flächendeckend roden.“ Nur das wäre ökonomisch sinnvoll. Genau das tue Grün und Gruga aber nicht.

Bei den Maßnahmen gehe es vielmehr darum, den Bürgerwald erlebbar zu machen. Dafür müssten allerdings zum einen Verkehrssicherungspflichten beachtet und auch Waldpflege betrieben werden. Ist etwa das Kronendach von Bäumen zu dicht oder stehen sie zu dicht beieinander, müsse durch Fällen Licht und Luft auch für nachwachsende Baumgenerationen geschaffen werden.

„Das ist Quatsch“, kontert Franz-Josef Adrian. Der Wald wisse sich auch ohne die Menschen zu helfen, nachwachsende Bäume gebe es genügend. Aus seiner Sicht ist es paradox, dass am Hülsenhaine mit großen Warnschildern auf die schützenswerte Natur aufmerksam gemacht, das Betreten untersagt und das Schutzgebiet zugleich zerstört werde. Dazu würden auch Maschinen beitragen, die Schneisen in den Wald schlagen und den Boden stark verdichten würden.

Gutachter kommt am 13. Juni

Abzuwarten bleibt, ob die Staatsanwaltschaft ein Verfahren einleitet. Grün und Gruga hat dem Lehrer ein Gesprächsangebot gemacht. Am 13. Juni kommen ein Auditor des Öko-Zertifizierers Forest Stewardship Council und Professor Volker Dubbel von der Hochschule Göttingen nach Essen. Adrian könne sich dann mit den Experten austauschen.

„Wir gehen davon aus, dass wir uns richtig verhalten“, sagt Eckhard Spengler. In schützenswerten Arealen würde so selten wie möglich gearbeitet, die vorgeschriebene Fällperiode sei eingehalten und öffentlich angekündigt worden. Besonderes alte Bäume, die Habitate – Lebensräume für Tiere und Pflanzen – würden stehengelassen.

Keine konkrete Aufsicht vorhanden

Indes gibt es offenbar keine konkrete Aufsicht über das Tun von Grün und Gruga. Die Untere Landschaftsbehörde und das Regionalforstamt benennen sich auf Anfrage jeweils gegenseitig als die zuständige Stelle, die im Zweifelsfall Maßnahmen in einem Naturschutzgebiet bewerten müsste. Und das Lanuv verweist darauf, keine Aufsichtsfunktion zu haben.

Insgesamt hat Essen elf Naturschutzgebiete. Die Hülsenhaine ist mit knapp 50 Hektar das zweitgrößte hinter der Heisinger Ruhraue (150,29 ha). Die gesamte NSG-Fläche auf dem Stadtgebiet beträgt etwa 350 Hektar.

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