Essen.. Nachdem die BVB-Fans die nicht ganz ausverkaufte Grugahalle beim Public Viewing zunächst in eine zweite Südtribüne verwandelt hatten, herrschte nach dem Champions League-Finale Ernüchterung. Viele enttäuschte Schwarz-Gelbe zog es sofort nach Hause. Dabei blieb es in der gesamten Stadt friedlich.
So gern hätten sie die Krone der Fußball-Königsklasse erhobenen Hauptes getragen. Doch die schwarz-gelben Papp-Krönchen, die viele BVB-Fans in der Grugahalle tragen, sie zeigen traurig in Richtung Fußboden. Zuerst in der 60. Minute, nachdem Mario Mandzukic die Bayern in Führung bringt. Bange Gesichter, fassungsloses Kopfschütteln.
Der Ausgleichstreffer durch den von Ilkay Gündogan verwandelten Elfmeter bringt die Hoffnung zurück: „Heja BVB“ schallt es durch die von den BVB-Fans klar dominierten Reihen, die stimmungsmäßig ein Stück Südtribüne nach Essen holen. „Wer nicht hüpft, der zahlt keine Steuern“, schreit ein Block lautstark, als Uli Hoeneß kurz auf der 65 Quadratmeter großen Hauptleinwand zu sehen ist. Die Bayern-Fans, die deutlich in der Unterzahl sind, nehmen’s gelassen.
„Da geht noch was“, gibt sich ein BVB-Fan hoffnungsfroh, wie wohl alle in der Grugahalle tippt er auf Verlängerung. Dann die 89. Schock-Minute, die von Essen bis nach Dortmund die schwarz-gelbe Welt für einen Moment still stehen lässt: Die ersten BVB-Fans verlassen direkt nach dem 2:1-Siegtor der Bayern die Halle, andere liegen sich in den Armen, haben ihre Kronen abgenommen.
Zehn Minuten nach dem Abpfiff dominieren rote Trikots und das „Mia san mia“-Gefühl die Grugahalle. Die meisten BVB-Fans haben sich da schon auf den Heimweg gemacht. „Das ist schon etwas anderes als bei der 11Freunde-Arena zu WM- und EM-Zeiten. Da fiebern alle Fans gemeinsam für Deutschland, während heute Abend mal die einen, dann wieder die anderen jubeln“, sagt Mariebelle Winters, Sprecherin der veranstaltenden Agentur TAS.
Tapfere BVB-Fans feiern vor der Grugahalle weiter
Manfred Noll (56) sitzt gemeinsam mit seinen drei Freunden noch auf der Tribüne, tapfer trinken sie ihr Bier aus und beobachten die „Gaudi“, die die Essener Bayern-Fans an den Biertischen im Mittelblock veranstalten. Noll ist stolz auf das Dortmunder Team, sagt er, wenngleich ihm seine Enttäuschung anzusehen ist. Seit 1969 ist er glühender Borusse, besitzt seit 1974 eine Dauerkarte für die Südtribüne. „Der BVB hat eine tolle Saison gespielt“, sagt Noll und spricht damit vielen Fans aus der Seele.
Tim Schröder hat eine Lederhose über sein BVB-Trikot gezogen. Das soll keine Solidaritätsbekundung für beide Vereine sein: „Eigentlich wollte ich die Hose nach dem Spiel ausziehen. Es ist schon ärgerlich“, sagt er. Die verbliebenen Bayern-Fans, die etwa ein Drittel der Zuschauer in der Grugahalle ausmachen, sie feiern bis in die Nacht. Lars Zabinski (29) aus Bergeborbeck ist Bayern-Fan seit seiner Kindheit: „Ich habe euphorisch mit einem Sieg gerechnet. Jetzt freue ich mich vor allem für Robben, nachdem er so oft für seine mangelnde Chancenverwertung fertig gemacht wurde“, sagt er.
Vor der Grugahalle tanzen gut 30 BVB-Fans im Regen. Begleitet von einem Trommler skandieren sie immer wieder „Nur der BVB!“, stimmen eine Humba an. Der Stolz auf das Team verdrängt die Trauer über das Ergebnis. Ein paar Polizisten laufen an ihnen vorbei, gehen in den Feierabend. „Völlig friedlich, keine Vorkommnisse“, bestätigt Polizeisprecherin Tanja Hagelüken die Einschätzung der Kollegen am Sonntagmorgen. Obwohl Bayern jetzt die Krone des europäischen Vereins-Fußballs trägt, feiern die BVB-Fans ihre Mannschaft – und beweisen damit, dass sie in die Königsklasse gehören.