Dass die Kunst am Bau bisweilen zum Problemfall wird, wenn die Baukunst neue Wege geht, hat sich schon öfters gezeigt. So wurde das meterhohe Wandgemälde des „Junger Westen“-Malers Hans Werdehausen im Ruhrfestspielehaus von Recklinghausen vor Jahren erst nach massivem, bundesweiten Protest vor der Abbruchbirne gerettet und von Restauratoren an neuer Stelle wieder angebracht. Ob etwas ähnliches in Zukunft auch dem Immendorff-Kunstwerk „Energie“ in der Messe Essen droht, wird sich zeigen. Nach den jüngsten Ankündigungen des Messe-Baubevollmächtigten Roland Weiss, die Galeria würde im Zuge des Messeumbaus abgerissen und das Immendorff-Kunstwerk an anderer Stelle wieder aufgebaut – steht bei Günter A. Steinmann das Telefon jedenfalls nicht mehr still.

Steinmann hat in Essen selbst mehrere Arbeiten realisiert, auch an der Messe Essen steht eine seiner Aluminium-Skulpturen. Als die Galeria, das Verbindungsstück zum Bellini-Neubau, Anfang 2000 eine künstlerische Krone bekommen sollte, war Steinmann deshalb auch erster Ansprechpartner. „Mir fiel damals sofort Jörg Immendorff ein, der ja schon mehrere Entwürfe für Glasmalerei gemacht hatte.“ Immendorff liefert den Entwurf --- den feuerroten Korallenbaum als Urbild des Lebens mit „Fortunas“ steinbeschwerten Frauenfüßen, eines seiner Leitmotive. Steinmann fand mit der Glaskünstlerin Helga Feuser-Strasdas eine Fachfrau, die den aufwendigen Entwurf in mehrmonatiger Arbeit umsetzte. Aus 63 Quadraten entstand ein fast 19 mal 19 Meter großes Kunstwerk, bleiverglast und für die Ewigkeit – so schien es damals.

Dass diese Losung jetzt hinfällig sein soll, hält Steinmann für eine „Katastrophe. Schon wenn man bedenkt, mit welchem Aufwand das damals realisiert wurde.“ Das Werk sei ja heute auch mindestens viermal so viel wert wie damals. schätzt Steinmann und steht mit seinem Unmut nicht allein. „Nicht ganz unwichtige Leute aus der Wirtschaft rufen bei mir an und fragen, was da in Essen vor sich geht“, berichtet Steinmann. Auch die Witwe des 2007 verstorbenen Immendorffs, Oda Jaune, habe er bereits in Paris erreicht. Die Künstlerin sei „entsetzt“. In der nächsten Woche will man die Sachlage diskutieren und gegebenenfalls Fachanwälte für Urheberrecht konsultieren. Steinmann jedenfalls ist sich sicher, dass eine Verlagerung des gläsernen Kunstwerks nicht so einfach möglich ist. „Ich habe ja alle Baupläne zu Hause, die ganzen Entwurfsgeschichte, die hat die Messe Essen ja alle nicht.“

Messe-Sprecherin Gabriele von Graes betonte gestern, dass sich die neue Messeplanung noch „im Entwurfsstadium“ befinde und in Sachen Abriss noch „nichts spruchchreif“ sei. In der nächsten Woche, wenn Messe-Chef Egon Galinnis von einem Auslandsaufenthalt zurück ist, will man sich ausführlicher zur Causa Immendorff äußern. Das Bleiglas, so scheint’s , ist noch nicht ganz zerschlagen.