Es passiert wohl nicht sehr vielen Schülern, dass ihre Schulleiter später mal öffentlich über sie sagen, sie hätten die „politische Kultur der Schule entscheidend geprägt.“ Doris Mause, Leiterin des Carl-Humann-Gymnasiums in Steele, sagte aber genau das gestern über Lutz Friedrich (21), der 2011 am „Humann“ Abi machte und seitdem Jura in Münster studiert. Noch als Schüler hatte Friedrich die Initiative „Humann im Dialog“ gestartet und bemerkenswert prominente Gäste gewinnen können – Norbert Lammert, Hannelore Kraft, Sylvia Löhrmann.
Die Initiative lebt weiter, auch, wenn Friedrich nicht mehr am „Humann“ ist, und gestern kam der Landeschef der FDP in NRW, Christian Lindner, um zwei Stunden lang mit den Oberstufenschülern über Politik zu diskutieren, denn „zunehmende Politikverdrossenheit“, sagte Friedrich zu Beginn, „ist eine Gefahr für die Gesellschaft.“
Es folgte eine blitzlichtartige Abhandlung der großen innen- und außenpolitischen Themen, und wie Christian Lindner sie sieht: Die Staatsverschuldung einiger europäischer Länder löst man nicht, indem man ihnen einfach mehr Geld gibt. Grüne „Bevormundungs-Politik“ – siehe Rauchverbot, Tempolimit – sei auf dem Vormarsch. Energiewende? Ja, aber ohne milliardenschwere Subventionen für die Solar-Industrie. Lindner: „Über Energieversorgung sollte man nicht im Sowi-Kurs, sondern in Physik sprechen.“
Lindners bildungspolitische Thesen: „Das Gymnasium wird in NRW systematisch benachteiligt.“ Oder: Keine Studiengebühren sind unsozialer als Studiengebühren, „denn die angehende Krankenschwester subventioniert das Gratis-Studium des künftigen Akademikers, der sein Leben lang mehr verdienen wird.“ Noch interessanter wurde es, als Lindner Privates ausplauderte: Dass er Philosophie und Politik studiert hat, heute aber Jura machen würde.
Lindner versuchte, den Schülern die Angst vor der Zukunft zu nehmen. „Wenn Sie das Richtige mit Erfolg studieren, können Sie sich Ihren Job später aussuchen.“ Wegen des Fachkräftemangels und der demographischen Entwicklung seien die Chancen heute besser denn je. Es ist selten, dass jemand so nachvollziehbar Optimismus verbreitet. Den Schülern im Saal tat das erkennbar gut – überhaupt: Die gesamte Veranstaltung war sehr gelungen. Auch wenn man nicht mit allem einverstanden sein muss, was Lindner erzählt hat.