Wenn vier Generationen Kinderkrankenschwestern an einem Tisch sitzen, dann treffen sich 70 Jahre medizinische und pflegerische Geschichte. Anlass für die ungewöhnliche Runde im Haus der DRK-Schwesternschaft ist der Abschied von Magdalene Lickfeld. Die 63-Jährige, Teamleitung auf der Kinderstation, geht nach 46 Berufsjahren in den Ruhestand – und kann sich ein Leben ohne ihre Früh- und Neugeborenen noch nicht so richtig vorstellen. „Alles in allem habe ich mehr als 20 000 Babys in den ersten Lebenswochen begleitet“, sagt sie und ist selbst verblüfft über die Zahl.

Strenges Reglement

Käthe Höffken, DRK-Schwester im Ruhestand, hat „ihre“ Kinder gar nicht erst gezählt. Als die 92-Jährige in den 40er Jahren in den damals noch städtischen Krankenanstalten anfing, sah die Welt der Krankenpflege völlig anders aus: Die DRK-Schwestern trugen Tracht, hatten wenig Freizeit, verdienten 80 Mark im Monat und mussten bei Heirat die gestärkte Haube an den Nagel hängen. Straff und streng war nicht nur das Reglement für die Schwestern, auch die kleinen Patienten und deren Eltern hatten nicht viel zu melden: „Die Schwester sagte ihnen, was zu tun und zu lassen ist“, erinnert sich Käthe Höffken. Kontakt zwischen Kindern und Eltern war nicht erwünscht. „Die Mütter bekamen die Kinder nur zum Stillen.“

Ein wenig hatte sich das schon geändert, als Magdalene Lickfeld 1967 ihre Ausbildung begann. Eine ihrer Lernschwestern war Käthe Höffken, die die Frauenmilchsammelstelle (heute Still- und Laktationsberatung) leitete. „Früher hatten wir keine Vorstellungen vom Gefühlsleben der Früh- und Neugeborenen“, sagt sie. Frühgeborene würden keinen Schmerz empfinden und das erste Vierteljahr ist das dumme Vierteljahr, hieß es. „Wenn man das mit dem heutigen Wissen vergleicht, ist das unglaublich, was wir den Babys angetan haben.“ Nur langsam veränderte sich der Blick auf die Kinder und deren medizinische und emotionale Betreuung. Heute werden Eltern von Anfang an mit einbezogen, sind ein wichtiger Faktor in der Pflege.

„Gerade bei Frühgeborenen ist der Körperkontakt zur Mutter immens wichtig“, weiß Sabina Bitter (49), Stationsleitung auf der neo-natologischen Intensivstation. Als sie 1987 ihre ersten Berufserfahrungen im Klinikum sammelte, hatten Kinder erst ab der 29. Schwangerschaftswoche eine Überlebenschance. „Inzwischen sind wir bei der 24. Schwangerschaftswoche angelangt.“ Der Anspruch sei, dass meist 500 Gramm schwere Kinder gut überleben, schon im Inkubator geschützt vor Lärm, Licht und Schmerz einen positiven Start in die ersten Wochen erfahren.

Penible Dokumentation

Für Käthe Höffken ist vieles, was die jüngere Generation erzählt, nicht mehr vorstellbar. Die medizinische Technik hat sich kolossal weiterentwickelt, die penible Dokumentation ist ein wichtiger Bestandteil im Arbeitsablauf. Und dass die Eltern permanent anwesend sind, „finde ich eigentlich nicht so gut“, sagt sie und beklagt, „dass die Eltern sich ihre Informationen im Internet holen und alles besser wissen“.

Darüber kann die jüngste in der Runde, Melanie Galinski, nur lächeln. Für die 26-Jährige ist die Zusammenarbeit mit den Eltern selbstverständlich. „Krankenpflege ist Service am Menschen, unsere Patienten und deren Angehörige sind im weitesten Sinne unsere Kunden“, ist sie überzeugt. Ihren Beruf übt sie mit großer Leidenschaft aus. Die sei, neben den medizinischen Fähigkeiten, genauso wichtig wie vor 70 Jahren. „Jedes Kind, dass mit unserer Hilfe nicht nur überlebt, sondern in ein gesundes Leben entlassen wird, ist ein Geschenk.“