Essen. . Rund 13 Mio. Euro Mehrkosten werden anderweitig kompensiert. Einschneidende Änderung des Wettbewerbs-Entwurfs: Das Messehaus Süd soll abgerissen werden.

Gibt es die „neue“ Messe Essen für die angepeilten 123 Millionen Euro zuzüglich Mehrwertsteuer, oder reicht das Geld hinten und vorne nicht? Und wenn es reicht: Welche Abstriche vom Wünschenswerten müssen die Ausstellungsmacher von der Norbertstraße dafür akzeptieren?

Knapp sieben Monate nach der Siegerkür für den Architektenwettbewerb scheint die Frage jetzt beantwortet: Ja, der Neubau des kompletten Nordareals ist im Rahmen des Budgets machbar – zu diesem Schluss kommt das Architekturbüro Slapa Oberholz Pszczulny, das in monatelanger Zusammenarbeit mit der Messe einen überarbeiteten Vorentwurf des Projekts samt einer erstmals belastbaren Kostenschätzung vorgelegt hat.

Danach wird zwar die vom Rat der Stadt vorgegebene Marke von 123 Millionen Euro um rund 13 Millionen Euro überschritten. Doch seien diese Mehrkosten dadurch zu aufzufangen, dass der Neubau der Messe-Verwaltung ebenso wie ein geplantes Parkhaus auf dem Gelände P3 zwischen Eduard-Lucas- und Joseph-Lenné-Straße im Rahmen eines Investorenmodells umgesetzt werden. Die dadurch anfallende Pacht lasse sich durch zusätzliche, bislang nicht berücksichtigte Einnahmen aus einem vergrößerten Kongresszentrum und aus den Parkgebühren erwirtschaften.

Bei der Messe wie auch in der Politik scheint man mit dem überarbeiteten Entwurf zufrieden zu sein: „Das ist das, was wir brauchen – wir haben uns verabschiedet von der Formulierung ,was wir wollen’...“, sagte gestern Roland Weiß, der in der Messe-Geschäftsführung für den Teil-Neubau des Geländes verantwortlich zeichnet. Und auch Egon Galinnis, nach der Trennung von Frank Thorwirth verbliebener Messe-Chef, findet lobende Worte: „Sowohl unsere Messe- als auch unsere Kongressleute haben Hurra geschrien.“

Ob’s ein Hurra in der Politik war, ließ Oberbürgermeister Reinhard Paß, der dem Messe-Aufsichtsrat vorsteht, offen. „Einhellige Zustimmung“ konnte er aber dann doch vermelden, weil die unterschiedlichen Anforderungen am Ende zu einer „überzeugenden Lösung“ zusammengeführt worden seien.

Ein „Kraftakt“ in jeder Beziehung

Zu der gehören gleichwohl einschneidende Änderungen gegenüber den bisherigen Plänen. Die überraschendsten: Das Messehaus Süd, erst 1992 errichtet, soll abgerissen werden, um dem Bürotrakt der Messe Platz zu machen. An der gewöhnungsbedürftigen Architektur, die vor fast 20 Jahren immerhin mal den Rahmen für den EU-Gipfel abgab, ließ man gestern kaum ein gutes Haar: „Reine Flächenverschwendung“ sei der Bau, „umbaute Luft“, „funktional untauglich“ und obendrein auch noch ziemlich „hässlich“. Nur die Tagungsräume im Untergeschoss sollen erhalten bleiben, der Rest wird abgerissen, sobald der Bau abgeschrieben ist – also eher am Ende der vierjährigen Messe-Bauzeit.

Die soll mit dem Abriss der ersten Hallen im Frühjahr kommenden Jahres beginnen. Ab Herbst, nach der Weltmesse „Schweißen und Schneiden“ laufen bereits vorbereitende Arbeiten: Leitungsverlegungen etwa, Bauarbeiten im kleineren Umfang bei der Grugabahn und die Einrichtung der Baustelle, die Essen bis ins Jahr 2017 zur nächsten „Schweißen und Schneiden“ begleiten wird.

„Ein Kraftakt“, so der OB: „finanziell, planerisch und auch politisch“.

Für den Jury-Chef ein „kluger Kompromiss“

Nicht alles, was am einstigen Siegerentwurf geändert oder gestrichen wurde, gehorchte dem Gedanken, Kosten einzusparen: Wozu Cabrio-Dächer über den Hallenverbindungstrakten?, hieß es etwa, die seien doch nur ausgesprochen teuer, wartungsintensiv und letztlich ohne wirkliche funktionale Bedeutung. oder warum sollte es Gärten im Gebäude geben, wenn man einen der schönsten Gärten deutschlandweit vor der Tür weiß?

Ja, manches war „nice to have“, wie Messe-Baufachmann Roland Weiß es gestern formulierte, „schön, wenn man’s hat“, also, und doch nichts, was vermisst, wer bei der Motorshow oder der Pflanzenmesse, beider Equitana oder „Schweißen und Schneiden“ durch die Hallen stiefelt.

Große Hoffnungen setzt man abseits der klassischen Messen auf den neuen Kongress-Bereich, der erstmals stadtweit mit einem Saal für 2.000 Gäste aufwartet. Durch einen 20 Meter breiten unterirdischen gang zur Grugahalle können damit künftig nicht nur die aufwendigen, teuren und wenig schmucken „Zeltlösungen“ bei großen Hauptversammlungen entfallen. Messe-Chef Egon Galinnis setzt auch darauf, dass es damit gelingt, große Kongresse, die bislang an Essen vorbei liefen, in die Stadt zu holen.

Dass man all dies nicht mit einem Verlust an Qualität erkauft hat, dafür zog die Messe gestern den anerkannten Architekten und ehemaligen BDA-Präsidenten Kaspar Kraemer als „Kronzeugen“ auf , der auch die Messe-Neubaujury geleitet hatte: „Das jetzt entwickelte Konzept stellt einen klugen Kompromiss dar“ ließ der sich zitieren, die optimierte Planung sei „nicht mit einem ästhetischen Verlust des Entwurfes ,erkauft’.“ Ein schöner Bau also, aber vor allem ein notwendiger findet der OB: „ein Zeichen, dass die Stadt zu ihrer Messe steht“.