Richard Wagner, der Zauberer des Grünen Hügels von Bayreuth, hätte seine Freude gehabt: Im Jahr 2013, in dem weltweit an den Erneuerer der Oper und Begründer des Musiktheaters anlässlich seines 200. Geburtstages gedacht wird, feiert einer der besten Wagner-Sänger weltweit einen Triumph nach dem anderen. Der in Essen lebende Torsten Kerl (45), in Gelsenkirchen geboren und als Solo-Oboist Absolvent der Folkwang Universität der Künste, ist zurzeit Star der Pariser National-Oper (Bastille), wo er den Siegfried in Wagners „Siegfried“ und in der „Götterdämmerung“ singt und mit Bravour in Szene setzt: Sein Schmiedelied ist im Vergleich mit anderen Tenören unerreicht.

Nach Paris geht es für Torsten Kerl sofort weiter nach Bayreuth, wo er zum zweiten Mal in Folge die Titelpartie des „Tannhäuser“ singt. Anfang des Jahres war der Aalto-Preis-Träger (1994) schon der umjubelte „Rienzi“ an der Deutschen Oper in Berlin und Siegmund („Walküre“) in Florenz.

Schon jetzt steht fest: Auch 2014 wird der Essener in Bayreuth den „Tannhäuser“ singen – es gibt zurzeit offenbar keinen besseren Heldentenor für diese mörderische Rolle, wie für den Siegfried, den Rienzi und den Tristan auch. „Besonders stolz bin ich aber auf einen Liederabend („Wesendonck-Lieder“) mit dem Essener Folkwang-Professor Boris Bloch im Juni auf der großen Bühne der Opera Garnier in Paris“, meint Torsten Kerl im Gespräch mit dieser Zeitung. „In dieser berühmten Oper einen Liederabend zu singen, ist selbst für einen gestandenen Künstler etwas Besonderes.“

Er lebt seine Rollen

Was den Essener neben seiner wunderbaren Stimme auszeichnet, ist sein Spiel, seine gestalterische Bühnenpräsenz. Torsten Kerl lebt und spielt seine Rollen, er weiß, was er da singt, was er jeden Abend für ein verwöhntes Publikum leisten muss. „Heute muss ein Sänger in der Welt Zuhause sein. Er muss international agieren, die Sprachen verstehen und er muss seine Rolle überzeugend darstellen. Nur an der Rampe zu stehen – das reicht nicht mehr.“ Bereits im Jahr 2000 gewann er einen „Grammy Award“ im der Kategorie „Beste internationale Opernaufnahme des Jahres“.

Es gibt Sänger, die haben eine PR-Firma engagiert. Die haben Verträge, damit sie möglichst in allen Medien vorkommen. Aber: Nicht der Berühmteste, nicht der, der am meisten präsent ist, ist auch der Beste. Dazu muss man wissen: Die großen Wagner-Partien singt man halt nicht mit 25. Also tauchen diejenigen, die das schwere Fach beherrschen, seltener auf. Ein Beispiel: Das Paradestück in Turandot „Nessun d’orma“ ist drei Minuten lang, die Rom-Erzählung des Tannhäuser 25 Minuten - und das zum Finale, nach vier Stunden Bühnenpräsenz - das schaffen nur wenige.

Eines steht für Torsten Kerl fest: „Ich habe den Eindruck, Richard Wagner wird wohl immer mehr mein Hauptarbeitgeber.“ Er habe das große Glück, international einer der ganz wenigen Tenöre zu sein, die alle großen Wagner-Tenor-Partien gesungen haben.