Essen-Werden. Ins Altenheim einzuziehen, kann Elisabeth Münster (81) sich noch überhaupt nicht vorstellen. Die Seniorin ist immer gut alleine zurecht gekommen. „Doch vor einigen Monaten brachte eine Krankheit alles durcheinander“, erzählt ihre Tochter Ursula Dressler. Elisabeth Münster brauchte vom einen auf den anderen Tag viel mehr Unterstützung – Unterstützung, die ihre Tochter manchmal nicht mehr geben konnte. „Irgendwann ist die Kraft einfach aufgebraucht. Ich habe ja auch noch ein eigenes Leben und muss auf mich selbst achtgeben.“
Mutter und Tochter haben schließlich eine gute Lösung gefunden: Elisabeth Münster verbringt jetzt zwei Tage pro Woche in der Tagespflege der Stiftung St. Ludgeri. Seit Februar bietet das Altenheim diese zusätzliche Hilfe für ältere Menschen an. Morgens holt ein Fahrdienst Tagesgäste zu Hause ab und bringt sie in die Propsteistraße. Dort hat die Stiftung eine Außenstelle für Tagespflege eingerichtet. „Es ist für unsere Familie ein Segen , dass es diese Alternative zum Altenheim gibt“, findet Dressler.
In der Tagespflege St. Ludgeri gibt es eine große Wohnküche, zwei Ruheräume und einen Garten mit Pavillon. Die Senioren entscheiden selbst, wie sie ihren Tag verbringen möchten. Sie können in der Küche helfen, sich aus der Zeitung vorlesen lassen oder einfach im Sessel sitzen und nichts tun. Es gibt außerdem Spiel- und Singgruppen, und wer möchte, besucht einmal in der Woche den Gottesdienst. Auch Geburtstage können in der Tagespflege gefeiert werden. „Aber niemand wird zu irgendetwas gezwungen“, unterstreicht Pflegedienstleiterin Michaela Borowski.
Im Großraum Werdendie erste Einrichtung
Die Tagespflege funktioniert ähnlich wie das Leben im Altenheim, mit dem Unterschied, dass die Gäste nachmittags wieder nach Hause gebracht werden. Die meisten kommen zweimal in der Woche, jeden Tag ist Platz für 18. Insgesamt will Borowski 50 Senioren in die Betreuung aufnehmen: „Der Bedarf ist im Bereich der Tagespflege sehr groß, es gibt solche Angebote viel zu wenig. Im Großraum Werden sind wir die erste Einrichtung.“
Tagesgast Hans-Dieter Hünselar (74) hat sich schon eingelebt: „Mir gefiel es direkt gut hier. Ich wurde sehr herzlich aufgenommen.“ Seine Frau Erika fühlt sich durch die Tagespflege entlastet. „So kann ich ohne Sorge und ganz in Ruhe einkaufen gehen und höre meinen Namen nicht jeden Tag hundertmal“, meint sie mit einem Augenzwinkern. Ganz hergeben will sie ihren Mann aber auf gar keinen Fall: „Zweimal wöchentlich ist für uns optimal.“ Hans-Dieter Hünselar scherzt gerne mit den anderen Gästen, und manchmal macht er den Neulingen auch Mut: „Ich sag dann: Sie brauchen keine Angst zu haben, ich bin ja bei Ihnen.“
Manche Gäste brauchen zu Anfang ein wenig Zeit, um sich einzugewöhnen. Zum Beispiel machen sie sich Sorgen, dass sie nicht mehr nach Hause können. Dann ist die Überzeugungskraft der Familie gefragt. Um den Einstieg zu erleichtern, bietet St. Ludgeri kostenlose Schnuppertage an.
„Ich habe zu meiner Mutter gesagt: Das ist wie ein Kindergarten, nur eben für alte Menschen“, berichtet Ursula Dressler. Da habe ihre Mutter dann zugestimmt.
Es sei schön zu sehen, wie die Gäste langsam Vertrauen fassen, meint Michaela Borowski: „Oft verschiebt sich das Verhältnis zu den Angehörigen durch die Pflegesituation. Durch die Tagespflege werden Beziehungen entlastet, und man kann sich wieder viel mehr aufeinander freuen.“
Manche Gäste, die sich von ihrer Familie seit Wochen nicht zu einem dringend notwendigen Arztbesuch überreden lassen wollten, seien schließlich mit den Betreuer vom Pflegedienst hingegangen.