Die Klänge der Domorgel erfüllen den Raum. Frisch angezündete Kerzen lassen die „Die Mutter vom Guten Rat“ in ihrem goldenen Glanz leuchten. Ein Tag wie immer im Dom. Aber was will der junge Mann mit Hammer und Meißel in der Altfridkrypta? Er setzt den Meißel an der historischen Wand im Kellergewölbe an. Mit gekonnten Schlägen löst er Putz von der Wand, eine feine Staubschicht erfüllt den Raum. Was nach purem Vandalismus klingt, dient der Wissenschaft. Denn der Student gehört zur Forschungsgruppe von Architekturstudenten der Technischen Universität in Braunschweig. Mit ihrem Dozenten Hauke Horn, wissenschaftlicher Assistent am Institut für Baugeschichte, analysieren sie die Baustruktur verschiedener Elemente im Dom, um weitere Hinweise auf die Frage zu bekommen: „Wer hat den Westteil des Essener Domes gebaut?“.

Die Frage nach dem Ursprung dieses Teils ist nicht endgültig geklärt. „Sicherlich lässt sich der Bau der ottonischen Zeit zuordnen“, erklärt Dombaumeister Ralf Meyers, „doch wer den Auftrag für den ersten Bau dieses Teils gegeben hat, ist noch nicht definitiv bekannt“. Es gäbe viele kleine Mosaiksteinchen, aus denen nach und nach ein historisches Gesamtbild rekonstruiert werden solle, so der Dombaumeister.

Das ein oder andere Mosaikteil wollen auch Theresa Tschapke und Sabrina Pfeiffer beisteuern. Ausgestattet mit Taschenlampe, Zollstock und Fotokamera beschäftigen sich die beiden stundenlang mit einer Säule in der Altfridkrypta. „Es kommt auf jede Kleinigkeit an“, erklärt Theresa Tschapke, während sie mit der Taschenlampe eine unscheinbare Fuge näher beleuchtet. Veränderungen im Putz, ungewöhnliche Fugen oder Abweichungen in der Farbe - all das können Anzeichen dafür sein, dass etwas an der ursprünglichen Bausubstanz geändert wurde. Daraus ließen sich oft Rückschlüsse auf verschiedene Bauphasen und sogar den Baubeginn schließen, sagt die Studentin.

„Es ist einfach toll, in dieser Atmosphäre zu arbeiten“, sagt Sabrina Pfeiffer, „und endlich einmal die Inhalte unserer Vorlesungen praktisch zu erfahren“. Neben spannenden Eindrücken nehmen die Studierenden viele Informationen mit in den Hörsaal. Sie notieren alle Beobachtungen akribisch und werten sie später aus. Hauke Horn glaubt: „Ich bin guter Dinge, dass wir einige neue Erkenntnisse zur Geschichte des Essener Domes beisteuern können“.