Essen. Auf der 3. Kinderschutzkonferenz in Essen tauschen sich 250 Fachleute über Hilfs- und Bildungsangebote aus. In sechs belasteten Stadtteilen sollen Kitas und Familienzentren in den nächsten Jahren gefördert werden.
Die Lage ist schlecht, und Sozialdezernent Peter Renzel möchte sie auch nicht beschönigen: Jedes dritte Kind in Essen gilt als arm, das heißt seine Eltern leben von Sozialleistungen oder sind Geringverdiener. „Armut darf nicht erblich sein. Alle Kinder in dieser Stadt müssen gute Chancen haben.“ Um das zu ermöglichen, gebe es nur eine Antwort: „Bildung, Bildung, Bildung.“
Darum steht die 3. Kinderschutzkonferenz, zu der am Donnerstag 250 Fachleute ins Hotel Franz in Huttrop gekommen sind, unter der Überschrift „Kinderarmut bekämpfen – Teilhabe ermöglichen“. Wie diese Teilhabe aussehen sollte, weiß Gerda Holz vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) in Frankfurt: In einer einzigartigen Langzeitstudie begleitet das ISS seit 1999 deutschlandweit Kinder, die in Armut leben. Mit sechs, zehn und 16 Jahren wurden sie zu ihrer Situation befragt: Wie wirkt sich die Armut auf Gesundheit, Bildung, Wohnen, Kleidung, Essen, Freizeit aus.
In sechs Stadtteilen tätig werden
Wo die Grundversorgung unzureichend ist, bleibt meist auch die Entwicklung der Kinder zurück: In den ersten Lebensjahren können sie weder eine sichere Bindung aufbauen, noch lernen sie ausreichend sprechen. Wer hier helfen wolle, müsse früh ansetzen und dafür sorgen, dass die Kinder eine Kita besuchen. Hier sieht sich Essen mit dem Kita-Ausbau-Programm auf einem guten Weg. In den nächsten Jahren will man in sechs Stadtteilen, die a) besonders von Armut betroffen sind und b) noch zu wenige Angebote haben, verstärkt tätig werden. Im Fokus sind dabei die Stadtteile Innenstadt, Bochold, Altenessen-Süd, Katernberg, Frohnhausen und Kray. Pro Jahr sollen dort je 18 Kitas und Familienzentren 15.000 Euro erhalten, um ihre Teams für das Thema Kinderarmut zu sensibilisieren und zu schulen. In diesen Stadtteilen soll zudem der Babybesuchsdienst auf jedes Neugeborene ausgeweitet werden.
Bei diesen frühen Hilfen sehe man erste Erfolge, bescheinigt Gerda Holz. „Früher galt: Je kleiner die Kinder desto größer die Armut – das hat sich gebessert.“ Ein Kita-Platz nutze der Entwicklung des Kindes und helfe den Familien, eine dauerhafte Berufstätigkeit aufzunehmen. „Die damit verbundene Sicherheit hat sich in unserer Studie als wichtiger Erfolgsfaktor erwiesen.“ Hilfreich sei auch, wenn das Kind einen Erwachsenen – etwa einen Lehrer – finde, zu dem es Vertrauen aufbaue.
"Kinder müssen die Welt entdecken"
Und: Messbarer Erfolg für Entwicklung und Wohlbefinden armer Kinder zeigte sich, „wenn sie einen besten Freund haben“. Eindringlich mahnt Gerda Holz, solche weichen Faktoren nicht zu unterschätzen. Das gelte auch für den Kita-Ausflug in den Zoo, die Ferienspatz-Fahrt oder den Museumsbesuch mit der Schule: „Solche Erlebnisse sind existenziell: Kinder müssen die Welt entdecken – arme Kinder können das nur über solche Angebote.“