Essen. Meinolf Thies hat das Cinemaxx groß gemacht, schlingern sehen und geht jetzt zum zweiten Mal – aber endgültig. Ein Abschied nach über 20 Jahren.

Aufhören, wenn’s am schönsten ist – hätte Meinolf Thies sich an diese alte Regel gehalten, dann wäre er schon lange arbeitslos. Dann hätte er am Silvestertag des Jahres 1993 vermutlich in Champagner gebadet und sich allenfalls darüber geärgert, die Zwei-Millionen-Besucher-Marke in Deutschlands größtem Kino-Komplex hauchdünn verpasst zu haben: 5.415 Filmfreaks fehlten dem Essener Cinemaxx im zweiten Jahr seines Bestehens dazu, ein Traumergebnis.

Aufhören, wenn man ganz unten ist – hätte Meinolf Thies diese alte Fußballtrainer-Weisheit beherzigt, dann wäre er Ende 2005 gegangen. Nicht einmal 750.000 Besucher fanden da den Weg zum Kinokoloss am Berliner Platz, und wo der Chef einst gewettet hatte, nie und nimmer werde der Ansturm unter die siebenstellige Marke sinken, schimmerten plötzlich rote Zahlen durch die Glasfront. Es gab Selters statt Sekt, lange Gesichter und bange Blicke auf den schwankenden Riesen: Wie lange hält er das durch?

Vorzeitige Vertragsauflösung

Und jetzt hört er tatsächlich auf: Der Mann, der das Cinemaxx groß gemacht hat, der das Kinoschiff hat schlingern sehen, aber nicht untergehen wie die Titanic, der nach eigenem Bekunden „die Historie jeder einzelnen Zwischentür erklären“ kann, der sich immer noch beömmelt, wenn echte Ruhris (wie er auch einer ist) an der Kasse englische Filmtitel rezitieren, der manches Filmtheater in der nahen Innenstadt „seinetwegen“ hat verenden sehen und voraussichtlich Ende Mai den 25-millionsten Gast in der Traumfabrik begrüßt. Der Abspann läuft, Ende September ist Schluss.

Es ist ein Abschied nach dann knapp 22 Jahren, die neunjährige Unterbrechungen als Mann für die Cinemaxx-Expansion eingerechnet, und es ist ein vorzeitiger: Eigentlich läuft für Anja und Meinolf Thies und ihre „Consulthies GmbH“ der Management-Vertrag für die Cinemaxx-Häuser in Essen und am Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim erst im Herbst kommenden Jahres aus. Also warum die Eile?

Das Ende einer Epoche

Weil, sagt der 49-jährige, man sich manchmal entscheiden muss im Leben, weil man nicht alles machen kann, wenn man es gut machen will. Neben den Häusern in Essen und Mülheim betreibt Thies zwei eigene Kinozentren in Solingen und Lünen, am 1. Mai kommt eines in Düren dazu, und dazuzurechnen ist noch das Center seiner Frau Anja in Osnabrück. Alles in allem 28 Leinwände mit 5.200 Sitzplätzen, „und das muss ja noch nicht das Ende der Fahnenstange sein“.

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Aber es ist das Ende der Kooperation mit der Cinemaxx AG. Deren Vorstandschef Christian Gisy pries gestern die sonst eher ungewöhnliche Zusammenarbeit mit Thies, die Ende September Geschichte sein soll. Das wird ihn, ahnt Thies, noch so manche filmreife Träne kosten, weil ja eine Epoche zu Ende geht.

Eine, die er genutzt hat, um den alten Cinemaxx-Spruch, „mehr als Kino“ zu bieten, auf ganz andere Art mit Leben zu füllen, als sich Gründer Hans-Joachim Flebbe das einst gedacht hat: mit Fußball-Übertragungen und Uni-Vorlesungen, RWE-Jahreshauptversammlungen, Erste-Klasse-Kino und Polit-Treffen.

Das braucht Thies nicht noch einmal

Wer ihn nach seiner Sammlung der schönsten Erlebnisse fragt, wird derzeit noch vertröstet: Vielleicht kommen die schönsten ja auch noch. Nur weiß er schon, was er nicht mehr haben muss: Dass eine betagte Oma in einem seiner Kinosessel für immer eingeschlafen ist, das hat ihn unglaublich gerührt, weil für das kleine Mädchen in ihrer Begleitung eine Welt zusammenbrach. Und mag er auch noch so viele Missetäter auf der Leinwand platziert haben, der brutale Überfall, bei dem vor zwei Jahren sechs junge Leute die Tageseinnahmen raubten, ging ihm ziemlich an die Nieren.

Neulich hat er einen der Täter beim Bäcker gesehen, den, der seinem Mitarbeiter „die Wumme an den Kopf gehalten hat“. Er stand in der Schlange vor ihm, und „da muss man“, sagt Thies, „doch schon sehr an sich halten“. Aber natürlich blieb er ruhig, Baby, man weiß ja mittlerweile wie das geht, es läuft ja oft genug im Kino.