Der Isenbergplatz im Südviertel ist ein Wohnzimmer mit Weltläufigkeit
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Essen.
Die Stadtmagazine schwärmen von Kreuzberger Flair, Cafébesucher sprechen von Klein-Prenzlauerberg – und die Makler von einer angesagten Lage: Gemeint ist der Isenbergplatz im Südviertel, der bis vor einem Jahr in keinem Stadtplan verzeichnet war. Eine namenlose Fläche, von der Bevölkerung getauft, bespielt, belebt, geliebt.
Nein, vom Kultfaktor der Berliner Vorbilder wie dem Chamisso- oder dem Kollwitzplatz ist dieses Kleinod weit entfernt. Dafür fehlt es hier zum Glück auch an schnöseliger Coolness, dafür kurven hier keine Touristenbusse durchs Viertel.
Wer aber Freunde aus der Hauptstadt zu Besuch hat, kann hier mit ihnen ausgehen oder abstürzen, ohne einen mitleidigen Blick („Ihr armen Provinzler“) zu befürchten. Café Click, De Prins und Goldbar bewegen sich zwischen Weltläufigkeit und Wohnzimmer: Wer gerade keinen weit gereisten Besuch hat, der trifft hier Nachbarn und solche, die es werden wollen. „Ich werde oft nach Wohnungen gefragt“, sagt De-Prins-Inhaber Sven Dülfer.
Der Isenbergplatz
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Damit bestätigt er die Einschätzung der Makler, dass das kleine Südviertel mit seinen 11 000 Einwohnern und mancher Schmuddelecke mit dem Isenbergplatz eine Toplage aufweist, die mühelos in der Rüttenscheid-Liga mitspielen kann – auch preislich. Wenn die 93 Quadratmeter-Wohnung mit Click-Blick für 235 000 Euro angeboten wird, winken Studenten, Klein- und Lebenskünstler ab. Dabei haben sie den Platz ja erst zum „Place to be“ gemacht. Stadtsoziologen bezeichnen dieses Phänomen als „Gentrifizierung“: Junge Kreative entdecken günstige Wohnviertel für sich, werten sie durch ihre Kneipen, Kunst und originelle Läden auf, locken so zahlungskräftigeres Publikum und Investoren an, die Mieten steigen – die jungen Kreativen weichen.
Tatsächlich sind rund um den Platz in den vergangenen Jahren die Immobilienpreise gestiegen. Doch auch die Gentrifizierung fällt hier ein paar Nummern kleiner aus als etwa in Kreuzberg, wo dieser Tage gegen Mietwucher und Räumungsklagen protestiert wird. Am Isenbergplatz wohnen keine Superreichen, der soziale Mix stimmt.
Wer hier hinzieht, sollte eher Eule als Nachtigall sein: Der Isenbergplatz ist ein Langschläfer. Am späteren Vormittag erwacht der Spielplatz zum Leben, der weniger durch spektakuläre Geräte besticht als durch die elternfreundliche Infrastruktur. Wer hier Kleinkinder beaufsichtigt, kann dabei Kaffee trinken oder Pommes essen. So hat auch die aus Berlin stammende Spezies der Latte-Macchiato-Mama hier ein Biotop gefunden.
Nachtaktive Kinder
Im Sommer sind selbst die Kinder nachtaktiv, toben über den Isenbergplatz, während ihre Eltern von Kaffee auf Bier umsteigen. Die Anwohner müssen mit Spontan-Konzerten rechnen, mit Torjubel beim Public Viewing und mit alkoholgeschwängertem Palaver – dem nächtlichen Grundrauschen des Platzes. Hier wird draußen gelebt: Wer nur eine kleine Wohnung hat, der kann sein Leben in diesen kollektiven Vorgarten verlegen.
Das dürfte im Sinne der DKP sein, die vor 40 Jahren die Idee hatten, die Fläche zwischen Isenbergstraße, Rellinghauser Straße, Beethoven- und Emilienstraße zu begrünen, den Straßenverkehr stillzulegen. So erzählt es Architekt Ernst Kurz, früher im Amt für Stadtplanung und Bauordnung tätig. „Die Idee kam von den Kommunisten, aber die SPD hat sich das rasch zu eigen gemacht und umgesetzt.“ Mal eben vier Straßen abgehängt – man kann sich das heute schwer vorstellen. „Da fuhren halt wenig Autos“, erinnert sich Kurz. „Kinderwagengrün“ nenne man solche Spielplätze in Wohnortnähe. Doch Kurz, der aus Wien stammt und brauchte, bis er Essen lieben lernt, sagt’s lässiger: „Es ist halt ein Treff.“
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