Nun nimmt die Sprachförderung die Allerkleinsten ins Visier: Auf Kinder von 0 bis 3 Jahren zielt das Programm „Frühe Chancen“ des Bundesfamilienministeriums ab. Doch was nach Pauken und Training klingen mag, ist das Gegenteil. Spielerisch, beiläufig und in alltäglichen Situationen sollen Kinder die Sprache für sich entdecken.

28 Essener Kitas nehmen an dem bis Ende 2014 laufenden Projekt teil. Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) ist mit drei Einrichtungen dabei: dem Familienzentrum Schalthaus Beisen auf Zollverein, der Kita Haus-Berge-Straße in Altendorf und der Kita an der Tuttmannschule in Stoppenberg. Standorte mit vielen Kindern, deren Familien aus der ganzen Welt stammen. Standorte, an denen man mit Sprachförderung selbstredend seit langem zu tun hat. „Jede Kita kann auf ihren Erfahrungen aufbauen“, sagt Awo-Prokuristin Annette Schnitzler.

Beobachtungen mit der Kamera

„Neu ist dabei nicht nur, dass es um Kinder unter drei Jahren geht, sondern, dass wir sie systematisch beobachten – mit der Videokamera“, erklärt Demet Aydin, Leiterin der Altendorfer Kita. Die Szene, in der drei Kleinkinder Tierbilder ansehen, würde im Kita-Alltag wohl bald vergessen. Als Film veranschaulicht sie nun, wie die Mädchen und Jungen im Spiel lernen. Wie ein Bild erst als Papa („Der ist groß)“, dann als Frosch und schließlich – richtig – als Hund gedeutet wird. Dabei korrigiert die Erzieherin die ersten Interpretationen nicht, sondern fragt behutsam: „Hat Dein Papa solche Ohren?“

Es gehe eben nicht um falsch oder richtig, nicht um die Defizite der Kinder, sondern um ihre Stärken, betont Aysel Ziyansiz, die als Multiplikatorin für das Projekt in allen drei beteiligten Awo-Kitas tätig ist. Auch wenn Kinder türkische Worte in ihre Sätze mischen, heiße es nicht: „Die wissen es nicht auf Deutsch.“ Vielmehr sehe man die kreative Leistung, ebenso wie wenn ein Kind „Schwanzwasser“ sagt – und Gartenschlauch meint.

Beeindruckt hat Aysel Ziyansiz das Video von einem Zweijährigen, der sich ausschließlich durch Gesten und Schnäuzgeräusche verständigte. „Früher hätte ich mich besorgt gefragt, warum ein Kind in dem Alter nicht sprechen kann.“ Hier aber habe die Erzieherin sich auf die Ausdrucksweise des Kindes eingelassen, sich mit ihm unterhalten und ruhig alle Gegenstände benannt. Nach einiger Zeit redete das Kind völlig selbstverständlich.

Wertschätzung und Vertrauen

Durch die Videos lernen auch die Erzieherinnen, wie sie sich auf die Kinder einlassen, sie bestärken können. Wertschätzung und vertrauensvolle Bezugspersonen seien in dem Alter der Schlüssel zum Spracherwerb. Sei das gegeben, lernten Kinder ganze Wortfelder beim Spielen, Malen, Zähneputzen oder Zaubern. Wie sagt Aysel Ziyansiz: „Mit Zweijährigen kann man keine Vokabeln pauken.“