Geht es nach den Linken, kann die Anzahl städtischer Mitarbeiter gar nicht groß genug sein, da das nötige Geld ja einfach bei den „Reichen“ eingesammelt werden kann. Diese Denkart ist etwas schlicht, aber das war nicht der Grund, weshalb der Oberbürgermeister einen Antrag der Linken-Ratsfraktion auf Einrichtung einer weiteren Stelle für einen Lebensmittelkontrolleur am Mittwoch nicht zur Abstimmung zuließ. Selbstverständlich stünde es dem OB nicht zu, eine politische Behinderungstaktik zu fahren, die eine demokratisch gewählte Fraktion um ihr Antragsrecht bringt. Wohl aber hat er darauf zu achten, dass im Rat alles nach Recht und Gesetz zugeht. Und unzulässig sind laut Gutachten des Verwaltungsrechtler Janbernd Oebbecke Ratsentscheidungen, die die Innere Organisation der Stadtverwaltung betreffen. Ob die Lebensmittelüberwachung im Rahmen der vom Rat verabschiedeten Etat-Mittel personell verstärkt wird, bestimmt demnach allein der OB.

Möglich, dass Reinhard Paß im Recht ist. Die empörte Reaktion der Linken zeigt aber, dass mancher Kommunalpolitiker sich empfindlich in seinen Befugnissen beschränkt sieht, auch wenn nicht alle dies so lautstark beklagen wie die Linken. CDU-Fraktionschef Thomas Kufen war in einem Interview bemüht, die neue starke Rolle des OB herunterzuspielen. Die allermeisten Entscheidungen würden doch eh im schönsten Einvernehmen getroffen. Das stimmt zwar, doch die strittigen Themen sind nun mal oft die wichtigsten, mindestens aber erregen sie Aufsehen. Und die Entscheidung über Fragen wie die, welche Bäder oder Stadtteilbibliotheken offen bleiben dürfen und welche schließen müssen, hat der Rat früher als sein ureigenstes Recht angesehen. Heute kann dies der OB allein entscheiden - so sehen es jedenfalls er selbst und sein Gutachter.

Nun ist den meisten Bürgern spontan vermutlich egal, wer im Rat das letzte Wort hat: der OB - auch er ist ja vom Bürger gewählt - oder die 83-köpfige Politikerrunde. Weil Paß Sozialdemokrat ist, während der Rat schwarz-grün dominiert ist, kann das aber politisch schon mal einen Unterschied machen. Und: Von der Machtfrage hängt ab, welche Themen die Bürger über einen Bürgerentscheid notfalls direkt an sich ziehen dürfen. Nur bei Beschlüssen des Rates soll dies möglich sein, nicht bei solchen des OB. Dem Bürger wird offenbar nicht zugetraut, genügend Einblick (und Einsicht) zu besitzen, um über die Schließung einer Bibliothek zu entscheiden.

Die Initiative „Kulturgut“, die derzeit unverdrossen Unterschriften gegen die Sparpläne sammelt, will das nicht auf sich sitzen lassen. Wenn OB und Rat die Listen als unzulässig werten - und davon ist auszugehen - , dann will sie vor Gericht ziehen. Eine solche Klärung wäre tatsächlich im Sinne aller, wenn schon die Landesregierung sich bisher nicht in der Lage sieht, die unbefriedigende Situation in Essen aufzulösen, was man eigentlich erwarten dürfte. So werden es Richter erledigen müssen - wieder mal.