Als Essener Wirtschaftsförderer kann einen der Blick in die Nachbarstädte schon mal wurmen – jedenfalls, wenn es um die Zukunftsbranche Wissenschaft und Forschung geht. Oberhausen rühmt sich eines Fraunhofer-Instituts, in Mülheim eröffnete die Max-Planck-Gesellschaft jüngst eine weitere ihrer Einrichtungen. Die Universitätsstadt Essen kann auf keine solche renommierte Forschungs-Dependance verweisen. Wenn es nach der örtlichen Wirtschaftsförderungsgesellschaft geht, muss sich das ändern. Einen Standort für die Wunsch-Ansiedlung hat man auch schon ausgemacht: das Thurmfeld nördlich der Uni. Damit stellt sich die EWG Teilen der Politik entgegen, die dort einen neuen Rummelplatz bauen wollen.

Arbeitstitel: „Technicum der Energiewende“

„Keinesfalls darf sich dieses Gelände als Kirmeswiese in den Köpfen festsetzen“, so EWG-Geschäftsführer Dietmar Düdden gestern beim jährlichen Rück- und Ausblick auf die Aktivitäten seines Hauses. Das Gegenmodell der Wirtschaftsförderer firmiert unter dem Arbeitstitel „Technicum der Energiewende“ und greift Jahrzehnte alte Pläne eines Wissenschaftsparks am Thurmfeld wieder auf. Man sei in „engen, sehr konkreten Gesprächen“ mit wissenschaftlichen Einrichtungen und Vertretern der Industrie. Gerade angesichts der in Essen vertretenen Konzerne seien Entwicklungen in diese Richtung überfällig. „Wir sind ein Energiestandort.“

Rund sieben Hektar stehen am Thurmfeld nach Abzug des Geländes für das neue Hallenbad noch zur Verfügung. „Das ist eine der wenigen Flächen im Umfeld der Uni, wo man so etwas machen kann“, sagt Düdden. Platz für Entwicklung sei rar, nicht nur in Campus-Nähe, darauf wies der oberste Essener Wirtschaftsförderer auch bei der gestrigen Gelegenheit wieder hin. Noch 37 Hektar Gewerbefläche seien stadtweit im Angebot, vor allem im Norden. Dienstleistungsbetriebe, die enger am Kunden sein wollten, könne man deshalb nicht immer ein adäquates Angebot machen.

Knapp acht Hektar hat die EWG im vergangenen Jahr vermittelt oder verkauft, 2011 waren es noch 21. Der Rückgang sei auch mangelnder Nachfrage geschuldet gewesen, sagt Düdden. „Insbesondere der Mittelstand war sehr verunsichert und hat Entscheidungen zu Erweiterung oder Verlagerung nur getroffen, wenn es unbedingt nötig war.“ Nichtsdestoweniger: „Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir der Nachfrage begegnen können. Wir müssen wettbewerbsfähig bleiben.“

Eine Möglichkeit, mehr Raum für Wachstum zu schaffen: einstmals städtisch genutzte Flächen umwidmen. So wie bei der Ansiedlung der „Finca Café & Bar Celona“ auf dem Gelände einer ehemaligen Asylbewerberunterkunft an der Altendorfer Straße. Als weitere Beispiele erfolgreicher Arbeit des vergangenen Jahres nennt die EWG den Einzug des Personalvermittlers Hays ins Rü-Karree und die Vermittlung eines Neubaus an den Essener Software-Dienstleister GFOS, dessen vergrößerte Zentrale derzeit im Gewerbepark M1 entsteht. Insgesamt seien 2012 unter Begleitung der EWG 109 Projekte mit einem Investitionsvolumen von 74,8 Millionen Euro zu einem guten Ende gelangt, und dabei 740 Arbeitsplätze entstanden.