Das Bemühen des Landes, auch in Essen geeignete Flächen für Windenergie zu finden, endet in einer Flaute. Selbst auf den wenigen Flächen, die das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz nach langer Prüfung ermittelt hat, gibt es ernste Vorbehalte: So etwa in Schuir, wo das Wetterradar des Wetterdienstes und das erhaltenswerte Landschaftsbild jegliche Pläne für Windkraftanlagen hinwegfegen. In Kettwig, nördlich von Schloss Hugenpoet, stoppt ein Wasserschutzgebiet allerlei Überlegungen. Bleiben nur noch das ehemalige Kohlelager am Kanal, westlich der Gladbecker Straße. Und das Econova-Gelände zwischen Bottroper Straße und Stadthafen. Hier plant der Entsorger Harmuth tatsächlich seit über einem Jahr eine Anlage auf seinem Werksgelände, 135 Meter Nabenhöhe, 100 Meter Rotordurchmesser, drei Megawatt Nennleistung. In wenigen Wochen sollen laut Harmuth die Pläne der Bezirksregierung vorgelegt werden, es wäre Essens erstes Windrad. Doch ausgerechnet mitten im Gewerbegebiet könnte „Falco Peregrinus“ die Pläne durchkreuzen: Der Wanderfalke nistet am nahen Schornstein der Alu-Hütte.

Nistkästen am Schornstein

Mal wieder der liebe Nachbar: Vor fast 30 Jahren ließ das Aluminium-Werk an seinem 180-Meter-Turm mehrere Nistkästen für die schon damals bedrohte Falkenart aufhängen. Das Engagement kam bei den Greifvögeln an. Die landschaftlich eher befremdliche Ästhetik des Industriegebietes störte die Tierchen offensichtlich nicht, der Nistplatz in luftiger Höhe, kaum zugänglich für Feinde, dafür ein großes Jagd-Revier voller gut genährter Großstadt-Tauben – vor der (Alu-)Hütte rückten die Nachteile der Nistplatz-Immobilie schnell in den Hintergrund. Trimet, heutiger Besitzer des Bergeborbecker Werkes, pflegt den Bestand: Regelmäßig schaut ein Falkner nach Vögeln und Nistkästen.

Auf dem falschen Fuß

Einigermaßen erstaunt erfuhr Firmenchef Stefan Harmuth in den Vorgesprächen bei der Bezirksregierung von der Wanderfalken-Population am benachbarten Schornstein: „Das hat uns auf dem falschen Fuß erwischt.“ Zumal Düsseldorf keine Zweifel am Artenschutz aufkommen lässt: „Natürlich muss das geklärt werden“, so eine Sprecherin der Aufsichtsbehörde, „die Windkraftanlage darf die Wanderfalken nicht gefährden“. Allerdings: „Bislang hat Harmuth noch gar keinen Antrag für den Bau der Anlage gestellt. Erst dann werden wir prüfen.“

Das Erstaunen auf allen Seiten, dass sich Wanderfalken ausgerechnet an einem emittierenden Schlot neben einem Produktionsbetrieb niederlassen, kann Hermann-Josef Golbach, Falkner und Leiter der Tierhaltung im Grugapark, nicht teilen: „Für einen Falken ist das ein idealer Platz. Die Tiere haben sich angepasst und suchen sich ihre Nischen.“ Die Nistkästen in luftiger Höhe verschafften den Tieren einen hervorragenden Ausblick, zumal der Falke nur fliegende Beute wie Tauben jage.

Ob nun das „wupp, wupp, wupp“ der langsam drehenden Rotoren, ihr Schattenwurf, den Falken mehr stört, als die nahe Alu-Produktion, mit dieser Frage dürften sich voraussichtlich Gutachter beschäftigen. Ihre Antwort wird mit über das Windrad entscheiden.