Die seit Monaten eingetüteten Blitzer auf der A 40 sind für zigtausende Autofahrer offenbar ein eindeutiges Signal: Den Fuß vom Gas zu nehmen, ist auf dem dreispurig ausgebauten Autobahnabschnitt zwischen Essen und Gelsenkirchen nicht mehr notwendig. Seitdem die Radar-Anlage seit Oktober für jedermann erkennbar offiziell aus dem Verkehr gezogen wurde, ist die Zahl der Geschwindigkeitsverstöße regelrecht explodiert, berichtete der städtische Ordnungsdezernent Christian Kromberg jetzt auf Nachfrage.
Was die wenigsten Autofahrer wissen dürften: Zwar wird seit Monaten weder geblitzt noch geahndet (die NRZ berichtete). Jedoch verfolgt der ständig präsente Radarstrahl das Verkehrsgeschehen weiterhin – sozusagen durch die Tüte.
Die so im Hintergrund erfassten Daten sprechen inzwischen eine mehr als deutliche Sprache: Wurden im Normalbetrieb zwischen dem 1. Juli bis 30. September gerade einmal 13.283 Verkehrssünder erwischt, verstießen in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres bereits 59.219 Autofahrer gegen die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit. Eine satte Steigerung um mehr als 400 Prozent, meint auch die Stadt, wie aus einem Vermerk hervorgeht: „Im Ergebnis ist festzustellen, dass das Geschwindigkeitsniveau unter den veränderten baulichen Verbesserungen auf der A 40 deutlich angestiegen ist.“
Zu schnelles Fahren allein darf jedoch kein Grund dafür sein, die Kameras wieder scharf zu stellen. Viel mehr muss der Autobahnabschnitt von der zuständigen Bezirksregierung als ein überwachungswürdiger Unfallschwerpunkt eingestuft werden. Dazu werden die im Beobachter-Status erfassten Daten zur Zeit ausgewertet. Wann eine endgültige Entscheidung über die Zukunft der Radaranlage fällt, ist nach Einschätzung der Stadt noch offen. Im Rathaus sind die Hoffnungen, die Kameras, für die gefühlt der Abspann läuft, wieder einschalten zu dürfen, jedenfalls gebremst. Passieren auf der A 40 zwischen Essen und Gelsenkirchen wenig Unfälle, bliebe eine wichtige rechtliche Voraussetzung unwiederbringlich auf der Strecke: Radarkameras an Autobahnen dürfen in kommunaler Regie nur dann betrieben werden, wenn dort tatsächlich überdurchschnittlich viele Crashs passieren. Schon jetzt macht man sich eifrig Gedanken darüber, wie die künftig womöglich fehlenden durchschnittlich 870.000 als einst so sichere Jahres-Einnahme einkalkulierten Euro kompensiert werden könnten. Bislang mussten von der Summe alle zwölf Monate allenfalls läppische 10.000 Euro Wartungskosten abgezogen werden. Im Rückspiegel betrachtet, wird eh einiges klar: Über Jahre verdiente die Stadt recht gut an der nicht auszubremsenden Dummheit mancher Autofahrer: fast fünf Millionen Euro. Denn Tag um Tag rasten Hunderte in die Falle. Die mit Abstand meisten Temposünder wurden dabei in Fahrtrichtung Duisburg erwischt: über 200 waren es binnen 24 Stunden. Zum Vergleich: Seitdem die Stadt die Blitzer eingetütet hat, wurden allein auf dem besonders belasteten Abschnitt von Gelsenkirchen nach Essen pro Tag nahezu 600 Verstöße aktenkundig. Die Raser sind zurück.