Essen. Viele Eltern im Essener Nordviertel erhielten Absagen von der Grundschule ihrer Wahl – und wurden auf andere Stadtteile verwiesen. Nun hat das Schulamt ein Einsehen: Eine Schule startet im August mit fünf Eingangsklassen.

Die Aufregung war groß in den Kitas des Nordviertels: Viele Eltern bekamen jetzt Absagen der Grundschulen, an denen sie ihre Kinder angemeldet hatten. Und weil sich an allen Schulen im Stadtteil zu viele Kinder angemeldet hatten, wurde ihnen oft empfohlen, es in anderen Bezirken, teils Kilometer entfernt zu versuchen. Von wegen: kurze Beine, kurze Wege. „Das hat die Familien hier hart getroffen. Viele haben fünf Kinder, nur ein Auto haben sie nicht“, erzählt eine Erzieherin.

Nadja Qayumi hat zwar nur zwei Kinder, aber die alleinerziehende Mutter weiß nicht, wie sie ihren Sohn an eine entlegene Grundschule bringen sollte. „Meine Tochter hatte die Nordviertel-Grundschule besucht, die liegt für uns günstig. Aber die ist jetzt voll, mein Sohn hatte da keine Chance.“

Andrang einfach zu groß

Tatsächlich musste die Nordviertel-Schule für das nächste Schuljahr vielen Schülern absagen – der Andrang war einfach zu groß. Was auch daran liegt, dass die nahe Tiegel-Schule ausläuft. Sie war früher zweizügig, die Nordviertel-Schule war dreizügig. Nun sollte die Nordviertel-Schule mit vier Eingangsklassen ins neue Schuljahr starten. Sprich: Bei der Zusammenlegung ging eine erste Klasse für das Nordviertel verloren.

Erschwerend kam hinzu, dass Grundschulen zum nächsten Schuljahr Eingangsklassen mit 26 statt bisher 30 Schülern bilden sollen – so eine Vorgabe des Landes. Schulen in einem sozial schwierigen Umfeld sollen die Klassenstärke gar auf 23 Schüler beschränken. Im Nordviertel mit einem hohen Anteil an armen und/oder ausländischen Familien bildeten die Schulen die 23er-Klassen. „Das ist eigentlich auch sinnvoll“, sagt die Leiterin der Hövelschule Monika Mathias, die auch ein Dutzend Absagen verschickte.

Absagen stiften Unruhe

Bei den betroffenen Familien, die oft nur geringe Deutschkenntnisse haben, sorgten die Absagen für große Unruhe. Mitte dieser Woche wollten sich die Eltern zweier Kitas treffen, um ihrem Anliegen Gehör zu verschaffen. Da hatte die Verwaltung schon die Notbremse gezogen: Die Nordviertel-Schule darf im August fünf statt vier Eingangsklassen bilden; die Eltern wurden jetzt informiert. „Ich habe hier strahlende Familien stehen“, freut sich Schulleiter Rainer Klatt.

Angesichts der Volte der Stadt frage er sich aber, ob das Aus für die Tiegelschule und der Plan, die Nordviertel-Schule auf Dauer nur dreizügig zu führen, den Gegebenheiten im Stadtteil gerecht würden. „In dem Einzugsgebiet leben viele Kinder“, bestätigt Annette Görgens-Pfeiffer vom Schulamt. Es gebe aber auch eine hohe Fluktuation und keine große Anmelde-Disziplin: „Viele Eltern melden sich nicht zum Termin im November an, sondern nach wiederholten Aufforderungen im Januar, Februar.“ Das erschwere die Planungen. Richtig sei aber, dass man gerade Kinder aus solchen Familien nicht in weit entfernte Schulen schicken sollte: „Die kommen da nicht an.“

Eine Schul-Ehe mit Hindernissen

Der Ratsbeschluss, Tiegel-Schule und Nordviertel-Schule zusammenzulegen, stammt vom Juni 2010. Beide Grundschulen sollten langfristig ein neues Domizil im Gebäude der früheren Hauptschule Beisingstraße finden. Die Tiegelschule sollte auslaufen, der Name Nordviertel-Schule erhalten bleiben.

Im August 2011 sollten die damals noch fünf Klassen der Tiegelschule in das 130 Jahre alte Gebäude an der Beisingstraße umziehen. 700 Umzugkisten waren schon gepackt, als der Umzug wegen eines Wasserschadens abgesagt werden musste. Auch die vier Eingangsklassen der Nordviertel-Schule konnten nun nicht an die neue Adresse ziehen.

Alter Standort wird übergangsweise noch genutzt

Erst ein Jahr später wurde der Schulbetrieb in dem wieder hergerichteten Gebäude an der Beisingstraße aufgenommen: zunächst nur mit den Eingangsklassen sowie den verbliebenen vier Tiegel-Klassen. Um genügend Platz für die Klassen beider Schulen zu haben, wird für eine Übergangszeit auch der alte Standort der Nordviertel-Schule an der Gertrudisstraße noch genutzt.