„Zwar bin ich erst Februar 1940 geboren, aber ich werde nicht vergessen, wie wir in den Bombennächten zum Bunker gelaufen sind. Ich auf dem Arm meiner Mutter und mein drei Jahre älterer Bruder an der Hand. Die gespenstigen Scheinwerfer der Flugabwehr und die Flugzeuge am Himmel sind mir immer noch in Erinnerung. Beim Alarm zum letzten Großangriff auf Essen am 11. März 1945 waren wir spät dran. Meine Mutter nahm ihre immer bereit stehende Tasche mit den

wichtigsten Papieren und lief mit mir in den Keller unserer Wohnung an der Bonifaciusstraße/Ecke Morgensteig in Schonnebeck Wie mir meine Mutter später erzählte, blieb ich an der Kellertreppe stehen und rief: „Der Papa hat gesagt, wir sollen immer in den Bunker gehen.“ Widerwillig nahm mich meine Mutter an die Hand und wir liefen doch noch zum Bunker. Der Bunker bebte bei den Bombendetonationen. Als wir wieder heraus konnten, sahen wir nur Bombentrichter und von unserem Haus nur noch Schutt und Asche.“

„Wir suchten in unserem Kohlenkeller Schutz vor den Bomben. Was da aus dem nächtlichen Himmel auf uns hereinbrach, war unvorstellbar. Die Druckwellen einer Luftmine, die ganz in der Nähe explodierte, ließ die Wände erzittern und das von außen vergitterte Kellerfenster bersten. Straßenstaub und Glassplitter drangen zu uns herein. Die Kellertür aus Lattenholz flog aus den Angeln. Ich hatte damals nur einen Gedanken: Hier kommen wir nie wieder raus. Der Keller war wie eine Mausefalle, aus der es kein Entrinnen gab. Ich zitterte am ganzen Leib und wimmerte vor mich hin. Plötzlich war es totenstill, nur von Ferne hörte man Menschen schreien. Bewegungslos verharrten wir auf unseren Plätzen. Nach einer halben Stunde die Sirenen: „Entwarnung.“ Mein erster Gedanke:“ Wir sind noch einmal davon gekommen.“ In unserer unmittelbaren Nachbarschaft haben in dieser Nacht vier Familien ihr Leben verloren. Ihr Haus lag in Schutt und Asche. Das Zermürbende des Bombenkrieges, das Geräusch heulender Sirenen – in manchen Nächten unzählige Male – machte mich ängstlich und nervös. Schließlich wurde meine Schulklasse ins Allgäu ausgelagert. Da ich viele Luftangriffe auf Essen miterlebt hatte, war ich unendlich froh darüber, endlich rauszukommen. Trotz allem war es ein schwerer Abschied, man wusste ja nicht, ob man sich jemals wiedersehen würde. Meine engste Familie hat die Schrecken des Krieges überlebt. Es war Zufall.“ Ursula Hickmann, Essen