Wenn eine Schule 140 Plätze pro Jahrgang hat, aber nur 58 Kinder werden für den fünften Jahrgang angemeldet, dann kann man wohl behaupten: Die Schule hat ein Problem. Willkommen an der Gesamtschule Nord in Vogelheim. Mit bemerkenswerter Offenheit spricht Schulleiter Thomas Keller über die Situation – und die versteckten Stärken des Hauses.

„Wir waren schockiert“, räumt Keller ein, der das Haus Anfang 2010 übernahm. Mittlerweile ist der Start mit fünf vollen Schulklassen zum neuen Schuljahr gesichert; Kinder, die an anderen Gesamtschulen abgelehnt wurden, werden nach Vogelheim gehen: „80 Familien hatten unsere Schule als Zweitwunsch angegeben.“

Er ist sich ganz sicher: „An der pädagogischen Arbeit kann es nicht liegen, dass die Zahl diesmal so niedrig lag.“ Mehr als ein Viertel der Schüler, die in Klasse fünf in Vogelheim anfangen, entschließen sich nach der Klasse zehn, den Weg bis zum Abitur fortzusetzen. Das zeige, wie engagiert und fundiert die Kollegen bei der Sache seien: „Wir tun sehr viel, um unseren Schülern gerecht zu werden.“ Denn wir sind hier in Vogelheim – einem Stadtteil, der nicht zu den privilegiertesten Quartieren der Stadt zählt. Für die Schule heißt das: Hoher Migranten-Anteil, was ja eigentlich nichts sagt, aber oft Sprachprobleme mit sich bringt. Eine gewisse Bildungsferne, ohne das werten zu wollen. Viele Alleinerziehende. Kurz: Die Schüler kommen nicht immer mit den besten Voraussetzungen. Entsprechend sei die Abi-Quote zu werten, findet Keller.

Als einzige Gesamtschule in der Stadt, erzählt Keller, gebe es hier ein intensives Förderkonzept in den Jahrgängen fünf und sechs für die Fächer Deutsch und Mathe, man testet halbjährlich mit dem niederländischen „Cito“-Test, das machten sonst nur zwei Gymnasien in der Stadt. Man mache viel fürs Klima, Sozialkompetenz-Trainings, und wöchentlich tagt jede Klasse mit ihrem Klassenlehrer als „Klassenrat“-Stunde, dann geht es nicht um Lerninhalte, sondern wirklich nur um Probleme und Konflikte, die dann offen auf den Tisch gelegt werden sollen.

Keller hat eine „Schräglage in der Wahrnehmung“ ausgemacht: „Das, was hier gut läuft, ist draußen nicht bekannt.“ Zum Beispiel auch: Die Schule hat einen musischen Schwerpunkt. „Wir kriegen in der Oberstufe in jedem Jahrgang einen Kunst-Leistungskurs zusammen, das ist selten an Gesamtschulen.“ Und jährlich produzieren Schüler eine Musik-CD, denn alle erhalten ab Klasse fünf Unterricht, in dem Keyboard und Schlagzeug vermittelt wird, ohne Noten. Für das alles hat die Schule offenbar zuletzt zu wenig Werbung gemacht. Die Anmeldezahlen sollen in einem Fortbildungstag, an dem alle Lehrer teilnehmen, besprochen werden. „Nichts“, sagt Keller, „kommt dabei unter den Teppich“.